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Buchcover Die Vertreibung der Götter

Die Vertreibung der Götter

Autor: Ilse Kleberger


Seiten: 206 | Verlag: Cornelia Goethe Literaturverlag Erscheinungsjahr: 2003 | ISBN: 3826753372 | Rezensiert von: Jolly Thews

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Pharao Echnaton und Nofretete regieren das Reich gut und bestimmt. Zwar vermisst das Volk die vielen alten Götter, denn Echnaton betet nur noch einen einzigen Gott an, aber abgesehen von den Priestern der alten Tempel stört eigentlich niemand das Leben am neuen Hofe in Achetaton. Die älteste Tochter, Meritaton, zieht mit ihrem Geliebten Semenchkare umher und die kleine Anchesenpaaton ist ein rechter Wildfang. Sorgen macht den Eltern nur, dass sie keinen Sohn haben und dass ihre Zweitälteste, Maketaton, als diese schwanger wird, den Vater des ungeborenen Kindes nicht nennen will.
Als eine Seuche das Leben fast aller Mitglieder der Königsfamilie dahinrafft, bleibt der überlebenden Prinzessin Anchesenpaaton nur übrig, sich mit dem kleinen Tutanchaton zu vermählen, dem Sohn einer Nebenfrau ihres Vaters, den sie zwar sehr gern hat, der aber doch viel zu jung für sie ist. Viele Jahre lang lenkt sie in seinem Namen die Staatsgeschäfte, was dem Oberbefehlshaber Haremhab überhaupt nicht passt. Er sinnt auf eine Möglichkeit, den Einfluss der Königin zu schwächen und seinen eigenen zu stärken.

Daneben steht eine andere Geschichte, nämlich die des Bauernsohns Tenti, der zu Grabbauarbeiten verpflichtet und so aus seiner heilen, allerdings auch engen, Dorfwelt herausgerissen wird. Nach Beendigung der Bauarbeiten folgt er seinem Freund Dersened. Beide nutzen die erworbenen Kenntnisse: Dersened wird Grabräuber, Tenti sein Hehler. Aber im Gegensatz zu Dersened hat Tenti stets ein schlechtes Gewissen. Seine Liebe und Ehrfurcht für den Gottkönig und dessen Familie lassen ihn trotz des neuen Reichtums nicht glücklich werden. Als er vom Chef der Grabräuberbande auch für einen Raubzug eingeplant wird und nun also eine aktive Rolle einnehmen soll, muss er sich entscheiden zwischen seinem neuen Gelderwerb und seinen alten Überzeugungen.

Dieser recht kurze Roman (200 Seiten) hinterließ bei mir ein zwiespältiges Gefühl: Einerseits schafft die lebensnahe und recht menschliche Beschreibung der Schauplätze und Personen ein lebendiges Bild dieser Zeit, andererseits lässt die ständig unterbrochene Erzählweise keinen rechten Lesefluss aufkommen.
In diesem Roman stehen zwei Erzählstränge nebeneinander: die Geschichte der Königsfamilie von Echnaton bzw. Tutanchamun und die Geschichte des Bauernsohns Tenti. Beide Erzählstränge berühren sich nur selten, und dann auch nur für wenige Zeilen. Durch diese Erzähltechnik gibt es auch keine wirkliche Hauptfigur in dem Roman. Nichts, womit sich der Leser von Anfang bis Ende identifizieren kann. Dass zusätzlich der eine Erzählstrang, nämlich die Geschichte der Königsfamilie, auch noch eine krasse Unterbrechung erfährt — denn ohne große Vorwarnung sind auf einmal Echnaton und fast alle Familienmitglieder tot — trägt weiter dazu bei, dass keine Identifikation mit der Geschichte aufkommen kann.

Während der erste Teil des Buches das Leben am Hofe Echnatons beschreibt, ist der zweite Teil der Regierungszeit des Tutanchamun gewidmet. Dazwischen liegen aber mehrere Jahre, die einfach komplett ausgelassen werden, wodurch dieser Erzählstrang eigentlich auch schon wieder aus zwei abgeschlossenen Teilen besteht. Wahrscheinlich sollte Anchesenpaaton Hauptfigur dieser beiden Romanteile werden; in dem Fall aber hat es die Autorin versäumt, uns die Figur durch die Schilderung von Gefühlen, von Lieben und Leiden, wirklich ans Herz wachsen zu lassen. Gleiches gilt für Tenti, den „Helden“ des anderen Erzählstranges. In beiden Fällen wird eher eine Geschichte „über“ die beiden erzählt, als dass diese beiden uns „ihre“ Geschichten erzählen.

So war bei mir am Ende dieses Buches die Enttäuschung über die aus meiner Sicht mangelhafte Erzähltechnik größer als die Befriedigung darüber, dass die Autorin für die bekannten Tatsachen eine unverbrauchte und dadurch erfrischende Geschichte gefunden hat, die zwar kurz, aber dennoch durchaus stimmig ist. Aber leider gelingt es der Autorin einfach nicht, die Distanz zwischen dem Leser und der Geschichte aufzulösen…

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