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Abu Simbel – Die Felsentempel Ramses II. von der Pharaonenzeit bis heute

Abu Simbel – Die Felsentempel Ramses II. von der Pharaonenzeit bis heute

Autor: Joachim Willeitner


Seiten: 144 | Verlag: Philipp von Zabern Erscheinungsjahr: 2010 | ISBN: 3805342268 | Rezensiert von: Carina Felske

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Großartiges wurde in den 60er Jahren geleistet, als die UNESCO ihre Mitgliedsstaaten zusammentrommelte, um mehrere antike Stätten vor den Fluten des Nils zu retten. Der neu errichtete Hochdamm, südlich von Assuan, bedrohte nicht nur den Tempel von Abu Simbel, sondern auch viele andere Heiligtümer. Die Rettung des Tempels von Abu Simbel stellte die anderen Aktionen jedoch weit in den Schatten, denn da das Bauwerk in den Fels gehauen war, musste der Tempel mühsam Stück für Stück zersägt und auf einer Anhöhe wieder zusammengesetzt werden. Diese spannende Rettungsaktion mit ihren logistischen Herausforderungen (1000 Arbeiter, die teilweise mit ihren Familien dort lebten, mussten versorgt werden und jede Menge technischer Hilfsmittel von Assuan in das weit abgelegene Nubien gebracht werden) und der bautechnischen Meisterleistung (8000 Blöcke mussten versetzt werden) ist ein Gegenstand dieses Buches.

Doch zunächst berichtet der Autor über Reisende und Abenteurer aus dem letzten Jahrhundert, die den Tempel entdeckten, seine Geheimnisse lüfteten und die Erzählungen über seine Schönheit in der ganzen Welt verbreiteten. Doch waren es zu dieser Zeit mehr Abenteurer denn Wissenschaftler, die sich weder scheuten, sich mit ihrem Namenszug auf Ramses‘ Tempel zu verewigen, noch das kulturelle Erbe zu beschädigen. So erzählt das Buch von einem gewissen Robert Hay, der im Auftrag des britischen Museums unterwegs war, um einen Gipsabdruck von einem der Köpfe zu fertigen. Doch machte er sich nach erfolgtem Abdruck nicht die Mühe, die Gipsreste zu entfernen. Infolgedessen erinnerte die Statue seitdem eher an einen „Clown“, denn an den berühmten Pharao. Jahre später „übermalte“ die Ägypten-Reisende Amelia Edwards die weißen Flecke mit Kaffee. Unorthodox aber effektiv.

Die zweite Hälfte des Buches befasst sich mit der Baugeschichte sowie der kulturellen und religiösen Bedeutung des Tempels. Dabei ist die antike Geschichte genauso wechselhaft, wie die der Moderne. Ein großes Erdbeben erschütterte im 31. oder 32. Regierungsjahr Ramses‘ Tempel und zerstörte eine der monumentalen Statuen des Pharaos. Aus diesem ja eigentlich eher schlechten Omen machte Ramses kurzerhand eine göttliche Untermauerung seines Beschlusses, eine Tochter des hethitischen Königs zu heiraten, so dass dem hethitischen König eigentlich gar nichts anderes übrig blieb, als dem Pharao seine älteste Tochter nach Ägypten zu schicken. Von der Eheschließung mit Maat-Hor-neferu-Ra (so war ihr ägyptischer Name) kündet die berühmte Hochzeitsstele, die zusammen mit weiteren Stelen hoher Persönlichkeiten in diesem Buch besprochen wird.

Viele hundert Jahre später (593 v. Chr.) verewigten sich Söldner aus dem Heer Psammetichs II. auf der Außenfassade. Das Graffiti wird aufgrund seiner literaturgeschichtlichen Bedeutung ausführlich behandelt (es handelt sich bei einem der Schriftzüge um den „ältesten erzählenden Prosatext der griechischen Literatur“) und der Leser erfährt nebenbei noch viel Wissenswertes über das Söldnerheer Psammetichs und seine Feldzüge sowie die seiner (römischen) Nachfolger, die in Nubien einmarschierten.

Das Eindrucksvollste an der Außenfassade sind sicherlich die vier großen Statuen Ramses II., die zusammen mit den viel kleineren Statuen seiner Familie hier besprochen werden. In diesem Zusammenhang werden auch die Familienverhältnisse von Ramses näher betrachtet.
Auch im Innern des Tempels existieren bildliche Darstellungen von 8 Prinzen und 9 Prinzessinnen. Ansonsten sind die Innenräume bestimmt durch religiöse Szenen und Kampfhandlungen, wie die Schlacht bei Kadesch, deren Beschreibung hier einen großen Raum einnimmt.

Nach der Beschreibung der inneren Räume geht der Autor auf die beiden kleinen Kapellen ein und natürlich auf den kleineren Tempel, der Ramses’ großer königlicher Gemahlin Nefertari geweiht war.

Den Abschluss dieses Buches widmet der Autor dem wohl faszinierendsten Clou dieses Bauwerkes –dem „Sonnenwunder“, das nach unserem Kalender am 19./20. Oktober und 22./23. Februar stattfindet und die Statuen tief im Inneren des Tempels beleuchtet. Er weist auf die Schwierigkeiten hin, diese beiden Termine mit dem altägyptischen Kalender im Einklang zu bringen und appelliert am Ende noch einmal an die Ägyptologen und Astronomen, das antike Datum des Sonnenwunders genauer zu berechnen.

Nach Vollendung des Buches hat der Leser sich ein umfassendes Wissen über den Tempel von Abu Simbel angeeignet. Dabei setzt der Autor allerdings ein gewisses ägyptologisches Hintergrundwissen voraus, was besonders am fehlenden Glossar deutlich wird. Zudem hätte sich der ein oder andere mehr Architektur- denn Ägypten-Bewanderte sicherlich eine geordnete Biografie des großen Bauherrn gewünscht. Schmerzlich vermisst für das schnelle Nachschlagen habe ich ein Stichwortverzeichnis am Ende des Buches. Dafür befindet sich dort aber ein sehr ausführliches Literaturverzeichnis und sogar die Adresse des Autors Joachim Willeitner M.A., was hoffentlich noch weitere Nachahmer finden wird.

Letztendlich stimme ich dem Autor zu, wenn er in seinen „Schlussbetrachtungen“ den Tempel von Abu Simbel in einem Atemzug mit der goldenen Totenmaske Tutanchamuns und der Büste der Nofretete nennt. Daher hatte ich mich sehr darüber gefreut, dass es im deutschsprachigen Raum nun endlich ein Buch über dieses faszinierende Bauwerk gibt. Und ich wurde nicht enttäuscht. Wunderschöne Fotografien, begleitet von interessanten und informationshaltigen Texten, die nicht zuletzt wegen der „Zweispalten-Aufteilung“ sehr gut zu lesen sind, machen das Buch zu einer klaren Kaufempfehlung.

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