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Heilige Zeichen. 580 ägyptische Hieroglyphen

Autor: Maria Carmela Betrò


Seiten: 251 | Verlag: Marixverlag Erscheinungsjahr: Neuauflage 2004 | ISBN: 3937715339 | Rezensiert von: Jolly Thews

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Dies ist ein Buch über einzelne Hieroglyphen – nicht über die altägyptische Schrift insgesamt und auch nicht darüber, wie man Hieroglyphentexte übersetzt. Der Hauptteil des Buches besteht daraus, dass Hieroglyphen vorstellt und Informationen zur ihrer Bedeutung und Schreibweise gegeben werden.

Vor diesem Hauptteil handelt die italienische Autorin Maria Carmela Betrò in einer knapp 30-seitigen Einführung in aller Kürze das ab, was man zur Entstehung und Entwicklung der Hieroglyphen wissen muss. Sie vergleicht sie mit anderen afrikanischen Sprachen und weist auf die bis heute fehlende Entstehungsgeschichte hin. Dann erklärt sie, was Ideogramme und Phonogramme sind und in welcher Anordnung die Schreiber die Hieroglyphen auf Felswände oder Papyrus schrieben. Abschließend macht sie noch einige kurze Aussagen zur Umschrift und zur Aussprache der Zeichen und geht auch kurz auf die Kursivschriften Hieratisch und Demotisch ein, die quasi die „alltagstauglichen“ Kurzschriften der Hieroglyphen waren bzw. sich daraus entwickelten.

Am Ende der Einleitung ist die vollständige sog. Gardiner-Liste abgedruckt (die Standard-Liste für Hieroglyphenschüler), in welcher die gebräuchlichsten 700 Hieroglyphen, nach Kategorien geordnet, aufgelistet sind. In dieser Auflistung hat sie diejenigen Zeichen farbig markiert, welche nachfolgend in ihrem Buch ausführlich beschrieben werden, und führt auch die zugehörige Seitenzahl auf. Das ist für den Leser sehr praktisch, denn wenn man Informationen zu einer ganz bestimmten Hieroglyphe sucht, kann man in dieser Liste nachsehen, ob und auf welcher Seite das Zeichen besprochen wird.

Auf den nächsten gut 200 Seiten folgt dann der Hauptteil des Buches: Betrò stellt, geordnet in acht Themengebiete, ca. 520 Hieroglyphen näher vor. Etwa die Hälfte davon werden ausführlich beschrieben, viele sogar über eine ganze Seite. Die andere Hälfte ist mit etwas kürzeren Erklärungen versehen, dort sind dann jeweils 12 Hieroglyphen pro Seite aufgelistet. Für jede vorgestellte Hieroglyphe gibt es eine hübsche Zeichnung, die so detailliert ist, dass man den dargestellten Gegenstand auch wirklich erkennen kann. Darunter findet sich dann die Bedeutung des Zeichens als Ideogramm und sein Lautwert. Bei denjenigen Zeichen, die ausführlicher beschrieben werden, finden sich zusätzlich auch die wichtigsten hieratischen und demotischen Schreibweisen sowie einige weitere Informationen, z.B. über die Herkunft des Zeichens oder die Bedeutung des dargestellten Gegenstandes in der ägyptischen Kultur.

Besonders schön sind die vielen Fotografien, welche Inschriften, Skulpturen oder Malereien zeigen, auf denen die jeweilige Hieroglyphe dargestellt ist. Leider sind diese Fotos nur in Schwarzweiß – in Farbe wären sie sicher noch viel eindrucksvoller! Immerhin ist das Buch im Zweifarbdruck erschienen, so dass die hieroglyphischen Zeichnungen – und auch die demotische von der hieratischen Scheibweise – in Rot abgesetzt werden können. Ursprünglich ist das wohl einmal Blau gewesen, denn in der Einleitung wird immer von Blau gesprochen, obwohl es keinen einzigen blauen Farbklecks in diesem Buch gibt. Es ist schade, dass man bei den Grafiken die Farbe ändert und es dann versäumt, auch den Text entsprechend zu ändern.
Etwas unverständlich ist auch der erweiterte Titel, denn statt der erwähnten 580 Hieroglyphen konnte ich nur 516 Zeichen zählen. Nun ist es kaum vorstellbar, dass die Autorin, oder der Verlag, sich bereits bei der 1995 erschienenen italienischen Originalausgabe verzählt haben; wenn man schon eine Zahl im Titel angibt, dann wird man sie auch verifiziert haben. Wo aber sind dann in der deutschen Ausgabe die restlichen 64 Zeichen geblieben?
Etwas zu optimistisch finde ich übrigens auch den Untertitel: „Die ganze Welt der Pharaonen wird verständlich und lebendig“. Sicher lernt man etwas über das alte Ägypten, wenn man sich die Erklärungen zu den Hieroglyphen durchliest, aber dass eine ganze vergangene Welt dadurch verständlich wird, das ist doch etwas hoch gegriffen.

Das Buch ist mit viel Liebe zusammengestellt und durch die hübschen Zeichnungen und Fotos wirklich gut anzusehen. Es eignet sich allerdings nicht, um die Hieroglyphenschrift zu erlernen oder Übersetzungen anzufertigen! Es ist eher für solche Leser geschrieben, die sich mit den einzelnen Hieroglyphen näher befassen und nicht nur deren Lautwert und ihre Übersetzung kennen wollen. Wer z.B. wissen möchte, woher einzelne Zeichen stammen, was sie darstellen und wie sich evtl. daraus ihr Lautwert ableitet, wer auch die kursive Schreibweise der einzelnen Hieroglypen kennen lernen oder etwas über die Bedeutung des dargestellten Gegenstandes im ägyptischen Leben wissen möchte, der ist bei diesem Buch richtig.

Besonders positiv finde ich die, auf nur 5 Seiten sehr übersichtlich dargestellte, Gardiner-Liste, welche das Auffinden einer bestimmten Hieroglyphe ohne großes Blättern sehr einfach macht. Negativ muss allerdings erwähnt werden, dass eben nur ein Drittel der 700 gebräuchlichsten Zeichen ausführlich dargestellt werden, ein weiteres Drittel zumindest in Kurzform. Das bedeutet im Umkehrschluss aber auch, dass man ein ganzes Drittel der Hieroglyphen in diesem Buch gar nicht erklärt oder vorgestellt bekommt. Und das ist sehr schade! Als umfassendes Werk über sämtliche Hieroglyphen wäre es noch viel wertvoller gewesen. So war ich doch mehrmals etwas enttäuscht, wenn eine von mir gesuchte Hieroglyphe eben nicht in diesem Buch enthalten war. Insgesamt dennoch eine Leseempfehlung für Hieroglypheninteressierte.

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