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Who is who im alten Ägypten

Who is who im alten Ägypten

Autor: Toby Wilkinson


Seiten: 336 | Verlag: Philipp von Zabern Erscheinungsjahr: Originalausg. 2007, 1. dt. Auflage 2008 | ISBN: 3805339178 | Rezensiert von: Carina Felske

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100 Persönlichkeiten aus allen Epochen des alten Ägypten finden sich in diesem Buch. Chronologisch sortiert, von der Frühdynastie bis in die Zeit der Ptolemäer, von Narmer bis Kleopatra, präsentiert der Autor Toby Wilkinson einen bunten Mix aus dem „Who is who“ des alten Ägypten. Pharaonen, Priester, Handwerker, Soldaten, Gouverneure, Expeditionsleiter, ein Musikant, Chefzeichner und Schlangendoktor und viele weitere Personen werden hier vorgestellt. Jede Epoche wird mit einer kurzen Zusammenfassung der Geschichte eingeleitet, wobei die Zwischenzeiten mit den „großen Epochen“ des Alten, Mittleren und Neuen Reiches sowie der Spätzeit/Ptolemäerzeit zusammengefasst werden und das Neue Reich noch in die Amarna- und Ramessidenzeit unterteilt wird.

Aus dieser 3000 Jahre währenden Geschichte der alten Ägypter hat Toby Wilkinson aber nicht nur Pharaonen und einflussreiche Beamte herausgepickt, die der Geschichte des Landes ihren Stempel aufgedrückt haben, sondern auch ganz einfache Leute, die durch andere Dinge die Aufmerksamkeit des Lesers erregen. So fanden auch Personen, von denen außergewöhnliche Funde zu Tage kamen, ihren Weg in diese Lektüre. Von einigen Privatpersonen wurden Textdokumente, wie Briefe oder Gerichtsakten entdeckt, die uns einen Blick in die privaten Sorgen und Nöte der Menschen der damaligen Zeit geben. Wilkinson erzählt uns bspw. die Geschichte der Naunacht (eine von 11 Frauen in diesem Buch), die ihre beiden Töchter enterbte, weil sie sich nicht genug um ihre Mutter gekümmert hatten, oder von den Briefen des Bauern Hekanacht, aus denen man allerlei Familienzwistigkeiten herauslesen kann, oder die berühmte Geschichte von „Paneb – Notorischer Verbrecher“, der im Arbeiterdorf Deir el-Medina sein Unwesen trieb.

Wie bei Paneb zu sehen, werden die Biografien teils mit originellen Untertiteln eingeleitet, bei denen in wenigen Worten zusammengefasst wird, mit welchen Taten oder Professionen sie in ihrem Leben geglänzt haben (oder auch nicht): „Imhotep – Gott gewordener Architekt und Wesir“, „Harchuf – Entdecker ferner Länder“, „Kenamun – Aufgeblasener Haushofmeister“,… Einige Untertitel sind genauso unterhaltsam, wie die nachfolgenden Texte. Wie bei dem Beamten Pepianch – „Hundertjähriger Beamter“ aus der 6. Dynastie. Wenn man seiner Grabinschrift glauben mag, hat er das für damalige Verhältnisse wirklich biblische Alter von 100 Jahren erreicht und aufgrund seines „alle Rekorde brechenden langen Lebens“ eine „wahrhaft umwerfende Sammlung“ an Titeln angehäuft. Aus der gleichen Dynastie entstammte ein Mann namens Weni, der dank seines taktischen Geschickes einen glorreichen Sieg gegen die Nomadenstämme des Sinai einfuhr, was er stolz in seinem Grab verewigte. „Etwas einfältig“ erwähnt er weiterhin, dass er noch weitere vier Mal gegen den gleichen Gegner ausrücken musste. So glorreich war sein erster Sieg dann wohl doch nicht gewesen.

Überhaupt bekommen hier die oftmals schwülstigen königstreuen Worte und Selbstbeweihräucherungen der Staatsdiener des Öfteren ihr Fett weg. Die hingebungsvollen Worte des Polizeichefs Mahu an seinen König Echnaton werden denn auch vom Autor gnadenlos als „Speichelleckerei“ abgetan. Das sorgt für einige Lacher und Auflockerung in den stellenweise doch sehr anspruchsvollen Texten, die für meinen Geschmack mit zu vielen Fremdwörtern durchzogen sind. Wer auf Anhieb weiß, was ein „Faktotum“ oder eine „Konnotation“ ist, oder wer „Usancen“ kennt und im Bilde ist, was sich hinter dem Wort „inaugurieren“ verbirgt, kann getrost – und ganz in ägyptischer Manier – seinen allumfassenden Wortschatz rühmen. Alle anderen müssen einen Duden zur Hand nehmen oder im Internet recherchieren. Da grenzt es schon fast an Ironie, wenn der Autor beim Gott Osiris in Klammern die Worte „Gott der Unterwelt“ hinzuschreibt.

Dennoch wissen die Texte zu überzeugen, sind sie doch viel mehr als bloße Biografien. Wir erfahren zudem noch viel über die Kultur, das ägyptische Beamtentum, die einzelnen Berufe und über die Lebensumstände der damaligen Zeit. So werden die Lebensberichte oftmals mit den dazu gehörenden Hintergrundinformationen eingeleitet. Wenn der Autor also beispielsweise über den Expeditionsleiter Horure berichtet, der im Südwesten des Sinai Türkis abbaute, dann beginnt der Text mit einer Ausführung über die königlichen Werkstätten der 12. Dynastie. Da die Personen hier im Vordergrund stehen sollen, sind diese Informationen natürlich nicht im Detail ausgeführt. Auch die Biografien sind größtenteils nur mit den wichtigsten Dingen gefüttert. Der Autor betont aber auch, dass sich die Texte „bewusst der Diskussion um Einzelheiten“ entziehen. Daher wird mancher Leser verwundert über einige unkommentierte Aussagen stolpern, wie den Bericht über Kleopatras Tod. Wilkinson schreibt dazu nur, dass Kleopatra von Oktavian die Erlaubnis zum Selbstmord erhalten hat. Das könnte so gewesen sein, damit Kleopatra nicht, wie ihre Schwester ein paar Jahre zuvor, das Mitleid der römischen Bevölkerung erweckt und am Ende freigelassen wird – es muss aber nicht so gewesen sein. Die gängige Theorie ist noch immer, dass Kleopatra durch ihren Selbstmord Oktavian seiner Genugtuung beraubte, sie in einem Triumphzug durch Rom zu schleifen.

Wer sich näher mit den einzelnen Personen beschäftigen möchte, dem bietet Wilkinson in seinem Anhang noch eine sehr gute Literaturliste zu allen 100 Personen, die in „Who is who im alten Ägypten“ vorkommen. Leider sind die Buchtipps größtenteils auf Englisch. Weiterhin finden sich am Ende des Buches eine Chronologie, eine Karte und Zitatquellen. Aber kein Glossar, was für ein Sachbuch doch sehr befremdlich ist. Doch der Übersetzer schafft Abhilfe! Er ließ es sich nicht nehmen, im Text weiterführende Kommentare zu hinterlassen, erkennbar an dem Zusatz „A.d.Ü.“ – Anmerkung des Übersetzers. Einige sind sehr kurz gehalten, wie bei dem Begriff „Ka“, den der Übersetzer mit „Lebenskraft des Menschen“ nur in wenigen Worten erläutert. An einigen Textstellen befinden sich aber auch ausführlichere Hintergrundinformationen, wie Hatschepsuts DNA-Ergebnisse oder die Definition eines Skarabäus-Käfers. Sehr ungewöhnlich, aber für den Nichtkundigen auch sehr hilfreich.
Zu beanstanden sind hingegen einige (Übersetzungs-?)-Fehler wie „Schönheitsfest des Tales“ statt „Schönes Fest des Tales“ und „Vater Gottes“ anstelle des üblichen „Gottesvater“ bei Echnatons vermutlichem Schwiegervater Eje. Die Vielzahl der Rechtschreibfehler sind mir ebenfalls negativ aufgefallen.

Kann man die Kultur und Geschichte eines Landes besser verstehen als durch die Augen seiner Bewohner?! Sehr kompetent und mit einem Augenzwinkern führt uns „Who is who im alten Ägypten“ in die Welt der alten Ägypter und bietet uns ein vielschichtiges Bild der Bevölkerung und ihrer Lebensart durch alle Klassen der damaligen Gesellschaft.

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