Goldschmied möchte der junge Ranofer werden, wie sein Vater. Aber der ist tot. Und sein verschlagener und bösartiger Halbbruder, der Steinmetz Gebu, bei dem Ranofer nun lebt, will davon nichts hören. Zwar lässt er Ranofer bei dem Goldschmied Rekh arbeiten, aber nur als niederen Gehilfen und nicht als Lehrling. Als Ranofer herausfindet, dass Gebu den ehrlichen Meister Rekh mit Hilfe eines Komplizen bestiehlt, bittet er den Lehrling Heqet, Meister Rekh davon zu unterrichten, denn für ihn selbst könnte es sehr unangenehm werden, wenn Gebu erführe, dass er es war, der ihn verraten hat.
Nachdem Rekh auf Heqets Hinweis hin die Diebstähle unterbunden hat, verliert Gebu das Interesse an der Goldschmiede und steckt den unglücklichen Ranofer in seine Steinmetz-Werkstatt. Hier muss Ranofer die schwersten und stupidesten Arbeiten verrichten und ist von seinem Traum, Goldschmied zu werden, weiter entfernt denn je. Und wären da nicht seine beiden einzigen Freunde, der junge und unbeschwerte Lehrling Heqet sowie ein alter Mann aus den Sümpfen, mit denen er sich ab und zu trifft, so hätte er wohl längst jeden Lebensmut verloren.
Inzwischen scheint Gebu eine neue Einnahmequelle entdeckt zu haben. Anders kann sich Ranofer die neuen teuren Kleidungsstücke und das gute Essen, das Gebu sich seit kurzem leisten kann, jedenfalls nicht erklären. Die drei Freunde beschließen, Gebu und seine vermeintlichen Komplizen zu beschatten. Wenn man Gebu etwas nachweisen könnte, würde Ranofer vielleicht endlich frei von ihm und er könnte sein Leben selbst in die Hand nehmen und doch noch bei einem Goldschmied in die Lehre gehen. Doch die Freunde finden trotz allen Eifers nichts heraus. Erst als Ranofer in Gebus Kammer einen wunderschönen goldenen Kelch findet, beginnt er die Wahrheit zu erkennen: Gebu muss an Grabräubereien beteiligt sein! Doch am nächsten Tag ist der Kelch wieder verschwunden — und mit ihm der einzige Beweis für Gebus Machenschaften. Ranofer sieht nur einen Ausweg: Er muss Gebu auf einem seiner Raubzüge heimlich folgen. Dass er damit sein Leben aufs Spiel setzt, merkt er viel zu spät.
Wie auch alle anderen Romane von Eloise Jarvis McGraw zeichnet sich auch dieses Buch durch glaubwürdige und liebevoll gezeichnete Charaktere aus. Schon allein, wie sie die Figur des Lehrlings Heqet angelegt hat, der mit seinen fröhlichen Sprüchen ein wenig Humor in die manchmal recht traurige Geschichte bringt, zeigt das meiner Meinung nach große erzählerische Talent dieser Autorin. Mit viel Fingespitzengefühl beschreibt sie die Gedanken und Gefühle der Hauptpersonen so genau, dass man fast ein Psychogramm der Figuren anlegen kann.
Ranofer hat sich durch die vielen Enttäuschungen seines erst kurzen Lebens und die Tatsache, dass er niemanden hat, dem er sein Herz ausschütten kann, sehr in sich zurückgezogen. Die Prügel, die er regelmäßig von seinem großen Halbbruder bezieht, haben ihren Teil dazu beigetragen, dass er keinem Menschen mehr vertraut und nur heimlich davon träumt, irgendwann einmal stark genug zu sein, um sein Leben und sein Schicksal selbst in die Hand zu nehmen.
Der etwa gleichaltrige Lehrling Heqet ist ein aufrichtiger und fröhlicher Junge. Er hat für jeden Anlass den richtigen Spruch und bringt den stillen Ranofer ein ums andere Mal damit zum Lachen. Durch seine unaufdringliche und einfühlsame Art schafft er es langsam, dass sich Ranofer zumindest zeitweise aus seinem Schneckenhaus herauswagt und mit ihm seine Gedanken teilt. Durch Heqet bekommt die Beziehung der drei Freunde eine emotionale Qualität.
Der alte Mann aus den Sümpfen verkörpert die Stimme der Vernunft in diesem Freundskreis. Er hat in seinem langen Leben viel erlebt und kann Ranofer manch weisen Rat geben.
Es macht also richtig Spaß, die Geschichte zu lesen und die psychologische Entwicklung der Figuren zu verfolgen. Dabei bekommt man dann fast beiläufig auch einen wirklich guten Einblick in die Lebensumstände der einfachen ägyptischen Handwerker. Wie sah ihr Alltag aus, wie ihr Arbeitstag? Die Autorin lässt einige Details einfließen, die ein fundiertes Hintergrundwissen über das alten Ägypten offenbaren. Ein bisschen unverständlich finde ich dann allerdings, dass auf dem Einband des Buches der Kopf einer Statue im Stile Echnatons zu sehen ist. Die Geschichte spielt aber zur Regierungszeit Amenhoteps III, Echnatons Vater, und zu dieser Zeit wurden die Statuen noch im „traditionellen künstlerischen Stil“ dargestellt. Dies kann aber durchaus auch ein Fehler des Illustrators sein.
Das Ende des Romans kommt dann für meinen Geschmack ein bisschen schnell daher. Nach all dem Unglück und der Mühe hätte ich mir gewünscht, dann auch wenigstens über ein paar wenige Seiten an Ranofers Freude und Glück teilhaben zu können. Warum schrieb die Autorin nicht noch ein Abschlusskapitel, in dem sich die drei Freunde wiedertreffen und glücklich ihre Erlebnisse austauschen? Ein Leben lang hat Ranofer sich gewünscht, Goldschmiede-Lehrling zu werden. Warum endet die Geschichte, ohne dass wir daran teilhaben können, dass er es auch wird? Mir fehlte da am Ende etwas!
Aber diese kleinen Kritikpunkte können die Qualität des Buches nicht schmälern. Der Roman ist nicht nur für Jugendliche ab 12 Jahren sondern durchaus auch für Erwachsene lesenswert. Insbesondere für Leser, die Wert auf Charakterstudien und die psychologische Entwicklung der Figuren legen.