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Pharao (1966)


FSK: 16 Jahre Erscheinungsjahr: 1966 | Rezensiert von: Adrian

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Nach einem Exkurs in die Moderne widmen wir uns wieder einem Klassiker. Weg von CGI, zu einem Film, der komplett darauf verzichtet. Sogar auf die damals üblichen Mattpaintings. Heute schreibe ich über den Film Pharao aus Polen.

Geschichte

Pharao (Original: Faron) basiert auf dem Buch von Boleslaw Prus und behandelt die Geschichte von Ramses XIII. Ägypten befindet sich am Rande seines Zerfalls. An den Grenzen stehen die Hetiter, die Staatskassen sind leer und die Macht liegt bei den Amun-Priestern. Unter diesen Voraussetzungen hat Ramses XIII es sich zum Ziel gesetzt seine Macht zu festigen, die Priesterschaft des Amun in ihre Schranken zu weisen und Ägypten vor den Fremdmächten zu Verteidigen und, ganz nach seinem Vorbild Ramses der Große, es wieder zur einstigen Größe zurückzuführen.

Die Geschichte an sich ist fiktiv, zu der Zeit als Prus sie schrieb, ging man jedoch tatsächlich von einem Ramses XIII und dem Priester Sa-Amen Herhor aus.
Der Film ist, wie das Buch auch, mehr als bloße Unterhaltung für einen Abend. Es ist eine anspruchsvolle Geschichte, die dem Zuschauer 100% Aufmerksamkeit abverlangt. Sonst verliert man nur zu schnell die Übersicht über die Figuren, und zusammenhängende Geschehnisse, da es doch einige gibt, die wichtig sind, aber nur einen kurzen Auftritt haben.

Obwohl der Fokus auf der Hauptfigur Ramses XIII liegt, haben Nebenfiguren wie Pentuer oder Herhor eine starke Präsenz.
Pharao ist in meinen Augen einer der wenigen Filme, die das Buch übertreffen. Auch wenn das Buch einige Stellen aufweist, die man im Film vermissen kann, so findet sich im Film die bessere Balance zwischen dem wechselhaften Charakter von Ramses XIII. Dies wirkt im Buch zuweilen gar erzwungen und scheint nur dazu zu dienen um dem Leser die entsprechenden Seiten in dem Ränkespiel zu erläutern.

Die Geschichte des Films ist weniger die eines Monumentalfilms, sondern vielmehr ein Kammerspiel oder eine griechische Komödie und bekommt daher, dank seiner Einzigartigkeit und Komplexität einen vollen Skarabäus.

Die Produktion

Anders als seine Pendanten aus der USA verzichtet der Film mehrheitlich auf visuelle Effekte. Keine Matte Paintings um die Schönheit von Ägypten darzustellen, keine hinzugefügten Sonnen oder Monde, nichts. Nur einmal wird mit einem Filter gearbeitet um in einer Szene ein Ereignis, das ebenfalls im Off stattfindet, zu veranschaulichen.
Dafür bietet der Film Massenszenen, tolle Kulissen von Palästen und Tempel, sowie Dreharbeiten an Originalschauplätzen, wie zum Beispiel die Pyramiden von Gizeh und das Ramasseum. Im vergleich zu „Der Ägypter“ ist der Film Prachtlos und in Brauntönen gehalten, so spielt er mehrheitlich in der Wüste. Nur selten, ich glaube sogar nur einmal, wird das Gesamtbild von grünen Palmen durchbrochen. Für den wissenden Zuschauer mag das befremdlich wirken, so waren doch die Tempel und Paläste alle reichlich bemalt und Ägypten ist am Nil eigentlich alles andere als eine Wüstenlandschaft. Aber hier hat der Regisseur Jerzy Kawalerowicz in meinen Augen ein gutes Gespür bewiesen und kreiert eine Szenerie, die Ägypten in einer Depression zeigt. So imposant, die Pylonen und Statuen wirken, so trostlos sind sie doch, beraubt ihrer Farben und die gezeigten Ruinen, gepaart mit dem Reichtum der Amun-Priester, unterstreichen den Zerfall der Gesellschaft, während sich die Elite bereichert.
Die Massenszenen bestehen mehrheitlich von Darstellungen des ägyptischen Heeres. Diese gefallen mir besonders gut, hat man sich offenbar an den gefunden Miniaturen aus der 11. Dynastie orientiert. Interessant hier, dass man aus den schwarzen Haaren, so etwas wie Helme kreiert hat. Hier kommen wir zu einem Punkt, der dem Zuschauer seltsam anmuten könnte.

Die Frisuren. So sind wir es doch gewohnt, in Filmen mit Echthaar oder zumindest realistischen Perücken konfrontiert zu werden. Pharao bricht komplett mit diesem Bild. Die Frauen tragen riesige Perücken, die auch als das zu erkennen sind. Man könnte meinen, da trägt die Königin-Mutter die Haare aller Frauen des Palastes auf dem Kopf. Dies aber ist wiederum zwei interessanten Details geschuldet. Zum einen lassen gewisse Wandbilder und stauten wirklich solche riesigen Perücken vermuten, zum anderen waren Perücken im alten Ägypten üblich. Da ein allgemeines Läuse-Problem vorherrschte und man sich scheinbar einfachhalber, den Kopfrasierte und eine Perücke kaufte, die man dann wegwerfen konnte, wenn sie dann ebenfalls von Läusen befallen war.

Neben den Phöniziern tragen zwei Ägypter Echthaar. Der eine ist Ramses XIII, womöglich um die Distanz zur Priesterkaste zu Symbolisieren und der Andere eine Figur, die ich hier jetzt nicht nennen möchte, aber seine Haartracht passt gut zu seinem zerlumpten Aussehen. Allgemein sind die Kostüme in meinen Augen großartig. Trotz ihrer weißen Schlichtheit wirken sie authentisch und detailreich. Auch hier hat man sich stark auf ein einfaches aber wirksames Spiel mit den Farben eingelassen. So tragen die Ägypter weiss, das nur von braunem Leder oder Gold durchbrochen wird. Die einzig farbig gekleideten sind die Phönizier, doch auch ihre Kleider sind in Erdtönen gehalten.
Allgemein wirkt das Auftreten der Figuren authentisch, wie bei kaum einem anderen Film. Während zum Beispiel amerikanische Produktionen addieren wo es irgendwie nur geht und dann neue Kostüme erfinden, scheint der Film im Gegenteil sich verpflichtet zu fühlen ein mögliches, authentisches Bild zu liefern und eher zu subtrahieren, das aber im Einklang mit dem allgemeinen Bild, das er vermitteln will. So ist jedes Detail, das man im Film sieht, sei das Schmuck, Kleidung oder Accessoire, für die entsprechende Figur überliefert. So sucht man das Was-Szepter im alltäglichen Ägypten vergebens. Die Nebendarsteller laufen auch nicht mit Nemes-Kopftücher umher. Und die Doppelkrone oder die bekannten königlichen Kriegshelme sind dem Pharao vorbehalten, und die können sich sehen lassen.

Somit ist bei der Produktion alles Perfekt?
Mitnichten. Die „Farblosigkeit“ ist verzeihbar, so ist sie doch ein Stilmittel „Ägypten versinkt in der Wüste“.
Wo man sieht, dass hier keine Profis aus Hollywood beteiligt waren, sind die Kampfszenen. Die sind zwar rar gesät, gerade deswegen erkennt man gut, dass sie mit unerfahrenen Statisten gedreht wurden. Das versuchte man dadurch zu kaschieren, dass man eine Handkamera einsetzte, die das Kriegsgeschehen aus der Perspektive des Kriegers zeigt.

Das ist eigentlich für die damalige Zeit ein gewagter Schritt. Der Vorteil dieser Aufnahmetechnik ist, dass sie kostengünstig ist und während dem Drehkein grosses Heer dargestellt werden muss. Dennoch ist der Zuschauer mittendrin und kein reiner Beobachter. Aber gerade bei solchen Nahaufnahmen, wiegt jeder Fehler schwer. Da fällt es einfach auf, wenn einer von einem Stein getroffen wird und zu spät realisiert, dass er doch eigentlich hinfallen müsste. Oder derjenige der plötzlich von einem Pfeil niedergestreckt wird, der vom Winkel her, aus dem Boden hätte emporschießen müssen und sich zum sterben gegen die Kamera dreht. Den eigentlichen aufprall der Heere wird dann durch schnelle Schnitte und unscharfe Szenen des Kampfes gezeigt, gemischt misch Schlachtengeschrei und einer sich wiederholenden Einstellung eines Nubiers, der auf den Kameramann einzuschlagen versucht, das ganze unterlegt mit Soundeffekten, die aus einem Asterix-Film stammen könnten. Es wirkt schon fast unfreiwillig komisch. Kawalerowicz entsinnt sich aber selbst da auf das eigentliche Thema des Films und lässt die Schlacht innert wenigen Momenten verstreichen.
Irritierend ist auch, dass alle Schauspieler, alles Polen, scheinbar bräunlich angemalt wurden, um dem Bild des Ägypters zu entsprechen, dies wirkt zuweilen seltsam, da es in manchen Momenten doch offensichtlich ist.

Eine Bresche möchte ich hier aber noch für die Arbeit des Kameramanns schlagen, die wirklich gut ist, sei das am Anfang als die Kamera einem Soldaten folgt, der durch das Heer rennt, bei den Streitwagen aufnahmen oder eben auch bei der eigentlich schlecht inszenierten Schlacht. Die Nähe, die der Film hier schafft, sucht, zumindest bei den Filmen zum Thema Ägypten, seines gleichen.

Der sparsame Umgang mit Effekten schlägt sich auch im klanglichen Bereich nieder. Musik ertönt nur, wenn es die Szene verlangt und auch dann sehr sparsam. Bereits beim Intro sollte einem klar werden, dass hier einen kein epischer Monumentalfilm erwartet. Das Bild zeigt vertrocknete Erde und es erscheint ein Geräusch, das sich anhört als, ob man versucht durch eine verstopfte Posaune zu blasen, während man in einer Halle mit einem Streitwagen über den Boden geschleift wird. Schlichtweg verstörend und doch sphärisch. Der andere Einsatz von Musik beschränkt ist zwar weniger verstörend, jedoch auf seine art sphärisch.
So gravierend die Fehlgriffe sind, so klein sind sie doch im Vergleich zu den vielen positiven Dingen. So runde ich den 3/4 Skarabäus gerne auf.

Das Medium

Ich habe den Film als DVD von EMS. Die DVD weist durchgehend ein gutes und restauriertes Bild. Der Film verfügt über zwei restaurierte und nachträglich wieder eingefügte Szenen, die sich optisch perfekt einfügen, da die Szenen leider nicht in der ursprünglichen Fassung vorhanden waren, sind sie jedoch nur in der Originalsprache, Polnisch, vorhanden, dafür jedoch untertitelt.

Der Ton kommt in Deutsch auf Mono 2.0 und auf Polnisch in 5.1. daher. Abgesehen vom Mono-Sound ist der deutsche Ton jedoch jeder Zeit klar und für meine Ohren ausreichend. Der Film lebt ja auch nicht vom akustischen Bombast, sondern vielmehr von der Geschichte und der Art wie sie erzählt wird. Die EMS-Fassung bietet zusätzlich noch zwei Dokumentationen, die aber weniger spektakulär sind. Leider scheinen beide DVD-Fassungen vergriffen zu sein und eine Blu-Ray ist (noch) nicht angekündigt. Die DVD wurde unter der Reihe „Lichtspielhaus“ neu aufgelegt, scheint aber abgesehen vom Cover keine nennenswerte Änderungen zu enthalten. Leider ist die DVD vergriffen, wer sich aber ein Exemplar ergattern kann, kann zuschlagen.

Die Ägyptiness

Womöglich bin ich nicht in der Lage den Film objektiv zu beurteilen, ist er doch mein erster Film, der sich rein um das alte Ägypten dreht, doch schafft es er es, den offensichtlichen Schwächen zum trotz, eine Authentizität aufzubauen, die in meinen Augen, seines Gleichen sucht. Er spielt an Original Schauplätzen und zeigt nicht nur ein Bild vom alten Ägypten, er zeigt zugleich ein Bild von Ägypten. Die Hochkultur von der Ägypten lebt, ist vergangen und doch versucht der Herrscher sie wieder aufleben zu lassen. Ob bewusst oder unbewusst, so ist es doch eine Reflexion des tatsächlichen Ägyptens. Kawalerowicz spielt mit solchen Stilmitteln immer wieder, so zum Beispiel wenn er, offensichtlich weibliche Muslime in der Ruine des Ramasseum aufwarten lässt. Der Film ist somit auf mehreren Ebenen von Ägypten durchdrungen. So zum einen von den Originalschauplätzen (die echten Pyramiden sind atemberaubend und majestätisch), sowie von den Kostümen und den Kulissen, die weniger auf amerikanische Bombast, als mehr auf Sorgfältigkeit setzen und das Gleichgewicht zur Bildsprache halten.

Zusätzlich möchte ich hier anfügen, dass es bisher der einzige Film ist, der die dezente Erotik, die viele Wandmalereien aus dem alten Ägypten ausstrahlt, wirklich einfängt. Filme die vorher oder während dieser Zeit veröffentlicht wurden, kamen aus Amerika und reflektierten eine prüdere Haltung, die für Amerika üblich war und ist. Polen übte sich weit natürlicher und kommt hier dem Ägypten weitaus näher, als es Hollywood damals und heute es könnte (private Kabelsender wie z.B. HBO zähle ich jetzt mal nicht dazu). Pharao erschafft eine natürliche Erotik, die Amerikanische Werke bis heute selten erreichen, indem er Nacktheit oder die leichte Bekleidung der Darsteller als natürlich hinnimmt und sie so auch darstellt.

Ich komme hier nicht drum herum, als dem Film den vollen Skarabäus zu überreichen.

Fazit

In meinen Augen ist Pharao ein Film, der der Perfektion nahe kommt. Er schlittert in meinen Augen nur knapp daran vorbei, dass er in der Inszenierung der Schlacht, zwar gute Ansätze hat, schlichtweg aber die Professionalität missen lässt. Gut ist, dass der Fokus definitiv nicht darauf verschwendet wurde, sondern auf die subtilen Machtkämpfe zwischen Pharao, Priestertum und äußeren Einflüssen.
Wer sich auf einen ruhigen Film voller Intrigen und Machtkämpfe, dafür aber mit weniger „Khopeshrasseln“ einstellen kann, wird hier auf seine Kosten kommen.

Am Ende gebe ich den Film 4 von 5 Skarabäen.