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Ra – Path of the Sun God (1990)


FSK: Nicht geprüft Erscheinungsjahr: 1990 | Rezensiert von: Adrian Kunz

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Eigentlich wollte ich das nächste Review der Miniserie Tut widmen. Ich stiess aber im Januar im Internet auf ein Kleinod, dem ich liebend gerne den Vorrang gebe.
Es handelt sich um den Animationsfilm Ra – Path of the Sun God. Der Film hat eine ganz eigene, geradezu einzigartige Weise an den ägyptischen Mythos heranzugehen. Man stelle sich vor, man ist in einer finsteren Grabkammmer, nur ausgestattet mit einer Öllampe, die gerade die Wandmalereien so beleuchte, diese erstrahlen in leuchtenden Farben vor schwarzem Hintergrund und dann erwachen diese zum Leben. Lesley Keen, die zuständig für Animation, Regie und Drehbuch ist, schafft es mit einem kleinen Team, in dem damals ersten Animationsstudio in Glasgow, die Mythen und Götterwelt von Ägypten Leben einzuhauchen.

Geschichte

Die Handlung ist in 3 Kapitel aufgeteilt, in Dawn (Morgen), Noon (Mittag) und Night (Nacht).
Ohne Zuviel zu verraten, Dawn erzählt die ägyptische Genesis, Noon die Verflechtung der Welt des Pharao mit der Welt der Götter und Night die Reise des Pharaos durch die Unterwelt auf der Barke des Sonnengottes Ra.
Speziell ist, dass Lesley Keen nicht (oder zumindest nur wenig) versucht, die Geschichte für den modernen Zuschauer zu vereinfachen. Viel mehr stellt sie die zuweilen abstrakten Ereignisse in den Animationen eins zu eins dar und macht das ganze erlebbar. Nichts Unnötiges wird addiert oder subtrahiert. Der Film gibt einen ungefilterten Einblick in die ägyptische Mythologie, wie sie die Ägypter vor 3000 Jahre verstanden haben mochten. 

Mit freundlicher Genehmigung von Lesley Keen

Die Geschichte wird erzählt, wie sie ein Priester den Schülern weitergegeben haben könnte. Ohne Wertung und ohne Erklärung der Dinge. Nur mit Bildern, die direkt von den Grabmälern oder Tempelwänden stammen könnten und der ruhigen Stimme der Erzähler. 

Diese Erzählstruktur, die nicht dem entspricht, was heutige Spielfilme bieten, mag für den Hollywoodverwöhnten Zuschauer ermüdend scheinen. Ich kann diese Reaktionen vollends verstehen und somit empfehle ich Ra – Path of the Sun God nicht jedem. Aber dem Ägyptomanen, der schon immer nur am reinen Mythos interessiert ist ohne Erklärungen oder unnötigen Modernisierungen, der erhält hier etwas Einzigartiges. 

Vereinzelte Längen in der Geschichte, gerade, wenn sich gewisse Teile der Geschichte wiederholen möchte ich nicht Leugnen, aber dies ist dem Quellenmaterial geschuldet. Ein Beispiel: wenn der Pharao die Geschichte von Horus und Set erzählt bekommt, die im ersten Kapitel schon thematisiert wurde.

Die Produktion

Der Film entstand 1990 und hat somit doch schon 29 Jahre auf dem Buckel. Auch bestand das  Team gerade mal aus elf Personen (den konsultierenden Ägyptologen miteinberechnet). Man sollte also keinen Film auf Disney-Niveau erwarten (Arielle, die Meerjungfrau entstand 1989). Das Team hatte aber seine eigene Art an dieses Problem heranzugehen und unterwarf sich den Regeln der ägyptischen Kunst. So erstrahlen Wandmalereien mit Leben und sind so animiert, wie man es von den Bildern an Tempelwänden und Gräbern erwarten würde. Das hat den Vorteil, dass gewisse Animationen ruhig ein bisschen sperrig und ungelenk wirken dürfen, da doch die ägyptische Kunst diese Grenzen schon fast vorschreibt. Schade ist, dass zuweilen gewisse Animationen eins zu eins wiederholt werden. Wie bereits erwähnt, ist das auch der Geschichte geschuldet, da die Wiederholungen bei den Ägyptern eine spirituelle Rolle innehatten. Für den modernen Zuschauer sind das aber Längen.

Den Soundtrack kann ich nur als sphärisch beschreiben. Es gibt zwar ein Grund-Theme, aber auch das ist, wie der gesamte Stil des Films, minimalistisch gehalten und dient eher dem Ambiente einer Szene. Das kann man negativ Empfinden, ich denke aber, dass Soundeffekte wie Kampfgeräusche oder Wasserrauschen eher unpassend gewesen wären. So erhält alles eine Art entrückte und Meditative Wirkung

Mit freundlicher Genehmigung von Lesley Keen

Medium

Den Film ist als DVD und als Download oder Stream über Vimeo.com erhältlich. Ich habe mich hier für den Download entschieden, da der Download eine Full HD Auflösung bietet und das beste aus dem Bild herausholen kann. Dazu kommt, dass man ihn über vimeo.com auch mieten könnte. Der Vorteil am Download ist auch, dass bei Verlust (Defekt der Festplatte oder so) der Film einfach wieder heruntergeladen werden kann.

Das alles kann die DVD nicht bieten. Aber abgesehen davon bietet sie keine Nachteile, da sie regio-frei ist und somit überall auf der Welt abgespielt werden kann. Informationen zu Bonusmaterial sind leider keine vorhanden, so kann ich darüber kein Urteil fällen.

Der Film hat nur eine englische Vertonung und zumindest als Download keine Subtitels. Das Englisch ist aber jederzeit äußert klar gesprochen und somit gut verständlich.

Die Ägyptiness

Beurteile ich hier normalerweise, wie sehr mich der Film ins alte Ägypten hineinzieht, muss ich bei Ra: The Path of the Sun God anders herangehen. Im Gegensatz zu „Pharao“ oder „Sinuhe: Der Ägypter“ erweckt dieser Film nämlich nicht das alte Ägypten wieder zum Leben, sondern nur einen ganz spezifischen Teil, ihre Glaubensvorstellungen. Und das macht er wie kein anderer Film vorher. Davor war für mich „Lion King“ die beste Umsetzung eines altägyptischen Mythos (die Parallelen zum Osiris-Mythos finde ich offensichtlich). Dieser Film bietet mir keine Vorstellung des alten Ägyptens, sondern er bietet mir die Perspektive der Ägypter selbst, die sie vielleicht auf ihre eigenen Mythen hatten. Wie am Anfang angedeuted, wenn ich diesen Film schaue, fühle ich mich als Schüler einer Tempelschule, mit der Jugendlocke ausgestattet, dem Priester zuhört, wie dieser anhand der Wandmalereien die Mythen und die Welt erklärt.

Fazit:

Ich habe mir lange überlegt wie ich den Film bewerten möchte, einfach ist es nicht. Müsste ich Ihn mit Animationsfilmen aus der gleichen Periode vergleichen hat, er auf keiner Ebene eine Chance. Auch dass es keine Synchronisation gibt macht den Film für den deutschsprachigen Raum schwerer zugänglich.

Auch ist es kein Film wie Sinuhe – der Ägypte oder selbst Gods of Egypt, den man einfach mal so starten und geniessen kann. Der Film verlangt die volle Aufmerksamkeit von Ohren und Augen.

Der Film hat für mich einen künstlerisches Wert, so dass er sich mir einer Wertung entzieht. Für mich ist der Film schlichtweg ein kleines Juwel, perfekt mit seinen Ecken und Kanten. Er ist sicherlich nicht für Jeden und nichts, das man so schnell mal konsumiert. Dass Zuschauer gelangweilt den Film ausschalten werden, kann ich verstehen. Ich hoffe aber dass zumindest diesem kleinen Team der Respekt gezollt wird, der Ihnen gebührt, weil sie sich einer schweren Thematik auf eine einzigartige Weise gewidmet haben.

Der Film ist Altägypten auf LSD, eine magische Reise in die Vorstellungswelt der Ägypter.

Verfügbar über https://www.ra-pathofthesungod.com/ oder direkt über vimeo.com