Nachdem Hatschepsut gestorben ist, liegt nun auch ihre Halbschwester Nenefer, Priesterin des Amun mit seherischen Fähigkeiten, im Sterben. Um ihre Taten vor den Göttern zu rechtfertigen, schreibt sie ihr Leben auf Papyrus nieder. Thutmosis III, nach Hatschepsuts Tod endlich an der Macht, hatte Zeit seines Lebens Angst vor dieser Seherin. Die Papyrusrollen der Nenefer bieten ihm die Möglichkeit, die Wahrheit über die Vergangenheit herauszufinden. War es ein Komplott seiner Tante Hatschepsut, die ihn so lange von der Macht fernhielt? Oder war es tatsächlich der Wille Amuns, wie es Nenefer so oft behauptet hatte? Nach Nenefers Tod kann er der Gelegenheit nicht widerstehen, ihre persönlichen Aufzeichnungen zu lesen – obwohl sie das ausdrücklich verboten hatte.
Nach dieser Rahmenhandlung beginnt die als Lebensbeichte formulierte Lebensgeschichte der Nenefer. Geboren als Tochter des Pharaos Thutmosis I und einer Nebenfrau, merkt sie im Alter von 9 Jahren, dass der Gott Amun ihr besondere Kräfte verliehen hat. Sie kann Ereignisse voraussehen und sich in die Gedanken anderer Menschen hineinversetzen. So unterstützt sie ihre Halbschwester Hatschepsut, als diese nach dem Thron drängt, obwohl eine Frau doch niemals auf diesem sitzen darf. Aber Nenefer spürt, dass Amun es genau so haben will.
Mit viel Fachwissen erzählt uns Birgit Furrer-Linse eine altägyptische Geschichte um Macht und Intrigen am Königsghof der Thutmosiden während der 18. Dynastie. Viele bekannte geschichtliche Fakten und Bauwerke jener Zeit hat sie in die Geschichte eingebunden und man hat streckenweise wirklich das Gefühl, „dabei“ zu sein. In dieser Beziehung ist es ein wirklich gelungener Roman.
Der Nachteil einer allwissenden Erzählerin – Nenefer weiß ja immer schon, was passieren wird und was die beteiligten Personen denken – ist aber, dass dadurch keine Spannung aufkommen kann. Wenn Nenefer von Amun erfährt, dass es Hatschepsut ist, die die Geschicke des Landes lenken soll und nicht der kleine Thronfolger Thutmosis III, dann weiß man schon, wie der aufkeimende Zwist zwischen den beiden ausgehen wird. In ihren Visionen wird der Ablauf vieler Ereignisse vorweg genommen. So erlebt man diese zwar „hautnah“ mit, kann aber nicht mit den Figuren mitleiden oder rätseln, wie eine Situation wohl ausgehen wird.
Mit einer schönen Liebesgeschichte hätte die Autorin vielleicht etwas retten können, denn so hätte man wenigstens mit den Liebenden hoffen und bangen können, aber leider baut Furrer-Linse nicht auf diese Möglichkeit. Nenefer liebt Hapuseneb, den Sohn des Hohepriesters, aber kurz vor der geplanten Hochzeit hat dieser einen Unfall, bei dem er seine Manneskraft verliert. In einer für mich nicht sehr glaubhaften Wendung der Geschichte weigert er sich danach, Nenefer zu heiraten und bricht ihr das Herz.
Auch die aus den Geschichtsbüchern ja bekannte, oder zumindest stark vermutete, Liebe zwischen Hatschepsut und ihrem Baumeister Senmut wird ohne Gefühle beschrieben und muss über weite Strecken sogar ausgesetzt werden, weil Senmut aus politischen Gründen mit Nenefer verheiratet wird, obwohl beide einander ablehnen. Und so gibt es im ganzen Roman nirgendwo eine schöne Liebesgeschichte. Hier vergibt die Autorin mehrere Chancen, den Leser emotional an den Roman zu binden.
Kennzeichen der aktuellen Zeit, in der Autoren ihre Bücher im Selbstverlag herausbringen können, ist die hohe Quote an Rechtschreibfehlern. In der ersten Hälfte des Buches finden sich fast keine, aber zum Ende nehmen diese kleinen Störfaktoren deutlich zu, als hätte derjenige, der Korrektur gelesen hat, zum Ende hin die Konzentration verloren.
Insgesamt ein Roman mit einem guten Plot und vielen historischen Details, dem es aber an Spannung fehlt und der mich emotional nicht einfangen konnte.