Amenophis II. tritt eine schwere Nachfolge an. Sein Vater Thutmosis III. war ein großer Pharao, der viele Schlachten gewann und die Grenzen des ägyptischen Einflussbereichs erheblich erweiterte. Nach seinem Tod proben einige Völker den Widerstand und stellen ihre Tributzahlungen ein. Ägyptens Vormachtstellung muss aber behauptet werden und der junge Amenophis II. steht nun vor seinem ersten Feldzug. Wird er ein guter Feldherr und ein würdiger Nachfolger seines großen Vaters sein?
Parallel dazu beginnt die Geschichte des Sklaven Josef, der — von seinen eigenen Brüdern verkauft — im Hause des Kommandeurs Potiphar Dienst tut. Alle Welt sieht, wie Potiphars Gattin diesen hübschen Sklaven ansieht und jeder ahnt, was passieren wird, wenn ihr Ehemann zusammen mit dem Heer auf den Feldzug gehen wird. Am Ende kann sich Josef nur durch Flucht diesem Schicksal entziehen und landet deshalb im Gefängnis.
Aber Josef hat eine Gabe, nämlich Träume deuten und manches Zukünftige voraussehen zu können. Als Amenophis II. nach seiner erfolgreichen Rückkehr vom Schlachtfeld von Albträumen geplagt wird und die Priester keine zufriedenstellende Deutung dieser Träume geben können, wird ihm mitgeteilt, dass sich ein „Seher“ unter den Gefangenen befinden soll. Josef wird vor den Pharao geführt und deutet dessen Träume so, dass Ägypten sieben Jahre des Wohlstands bevorstehen, auf die dann sieben Jahre der Not folgen werden. Von Josefs Vorschlag, in den fetten Jahren für die mageren Jahre vorzusorgen, ist der Pharao so begeistert, dass er Josef das Amt überträgt, durch das Land zu reisen und überall die notwendigen Vorkehrungen zu treffen. Diese Aufgabe führt Josef so gut aus, dass er immer mehr an Ansehen gewinnt und im Laufe der Jahre sogar zum höchsten Staatsamt aufsteigt. Er wird Wesir und damit zur rechten Hand des Pharaos.
Aber Josef kann seine Herkunft und seine Vergangenheit nicht vergessen. Während der sieben dürren Jahre schaut er immer häufiger in Richtung Hebron und ahnt, dass seine Familie dort hungern muss. Viele Nachbarvölker können nur überleben, wenn sie in Ägypten Korn kaufen. Auch Josefs Familie geht diesen Weg. Schließlich steht Josef vor seinen eigenen Brüdern, die nun als Bittsteller kommen und ihn in seinem hohen Amt nicht wiedererkennen. Er könnte sich zu erkennen geben und seine Brüder umarmen. Aber er kann ihnen nicht so leicht verzeihen — zu viel steht zwischen ihnen…
In diesem 1961 erschienenen Buch wird die biblische Geschichte Josefs als rein ägyptische Geschichte erzählt. Der gekaufte Sklave Josef kommt nach Ägypten und steht staunend vor der Kultur dieses fremden Landes. Durch diesem Blickwinkel eines Fremden fällt es der Autorin leicht, auch den Leser an die ägyptische Lebensweise heranzuführen, ihm die Wunder dieser einzigartigen Kultur nahezubringen. Man begreift gemeinsam mit Josef, wie das Staatswesen funktionierte, worauf Ägyptens Vormachtstellung in der Welt beruhte und dass ein Pharao auch nur ein normaler Mensch war – obwohl er keiner sein durfte. Einfühlsam wird die besondere Beziehung Josefs zum Pharao, seine Liebe zu seiner Heimat und die Sehnsucht nach seiner Familie beschrieben. Das Thema des religiösen Glaubens wird dabei sehr sparsam und ohne Wertung eingebracht, was ich als Pluspunkt des Romans empfunden habe.
Agaath van Ree lässt in ihre Erzählung soviel Fachwissen einfließen, dass ein farbiges und detailreiches Bild der Schauplätze entsteht. In diesem Roman faszinierten mich weniger die Figuren oder die Geschichte selbst, ich war eher angetan von den guten Kenntnissen der Autorin, die interessante Details manchmal fast beiläufig erwähnt. So lohnt es hier wirklich, jeden Absatz und auch jeden Nebensatz wirklich zu lesen.
Wenn man akzeptiert, dass es sich hier um eine Art Märchen handelt, in dem u.a. einem gefangenen Sklaven einfach mal eben die wichtigste Staatsaufgabe übertragen wird, dann ist es eine gut erzählte und gut zu lesende Geschichte, die viele Details über das alte Ägypten bereit hält.