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Nefertaris Lied

Autor: Inge Nickel-Ritzkat


Seiten: 390 | Verlag: IL-Verlag Erscheinungsjahr: 2015 | ISBN: 3906240258 | Rezensiert von: Jolly Thews

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Pharao Ramses II. trauert noch immer um seine schon vor Jahren verstorbene Lieblingsfrau Nefertari. Trotz eines großen Harems konnte bisher keine Frau diese Lücke füllen. Erst die Haremsdame Neferure schafft es, Ramses zu beeindrucken. Das will Siptah, der Halbbruder des Pharaos, für seine Zwecke ausnutzen und schlägt Neferure ein Komplott vor. Sie soll Gift in Ramses‘ Wein schmuggeln. Dafür will er sie später zur Königin machen. Was Siptah nicht weiß: Neferure kann die Gefühle der Menschen lesen, die sie berührt. Sie weiß daher, dass Siptah sein Versprechen nicht einzuhalten gedenkt. Doch soll sie sich deshalb einen so mächtigen Mann zum Feind machen?

Das ist nur einer der Erzählstränge, die Inge Nickel-Ritzkat in diesem Buch entwickelt. Es geht daneben auch um eine schwarze Königin, die die Kuschiten zum Widerstand antreibt, um Moses und die Hebräer, sowie um die Reise der hethitischen Prinzessin Sauskanu, die ein Jahr lang zu ihrer bevorstehenden Hochzeit mit dem Pharao nach Ägypten unterwegs ist. In lockerer Folge wechseln sich diese Handlungsstränge ab, setzen auch mal aus und werden später wieder aufgenommen.

Das Buch ist schon das vierte dieser Autorin, das im alten Ägypten spielt. Zwei handelten von Nofretete und dies ist nun der zweite Roman über Ramses II. Und wie auch schon in ihrem ersten Buch über ihn, das den Titel »Ich bin der Pharao« trug, kommt Ramses II. auch hier nicht sonderlich gut weg. Inge Nickel-Ritzkat beschreibt ihn als einen dem Alkohol zugetanen, lüsternen und unbeherrschten Mann, der an Macht und Frauen weit mehr interessiert ist als an Politik und seinem Volk. Man hat als Leser kein Mitleid mit ihm, wenn er wieder einmal seine tote Frau Nefertari betrauert und von einer Haremsdame verlangt, ihm das Lied über Nefertari vorzusingen – zu selbstherrlich und jähzorig geht er mit seinen Bediensteten um.

In ihrem inzwischen fünften historischen Roman schafft Nickel-Ritzkat es problemlos, die Charaktere der einzelnen Figuren zu entwickeln. Neben den ausführlich beschriebenen Hauptfiguren, wie Ramses oder Neferure, werden auch weniger wichtige Figuren sprachlich wunderbar dargestellt. Wenn der intrigante Siptha seine Skrupel bekommende Verbündete Neferure wieder einmal anschreit, und ihm dabei die Speicheltropfen aus dem Mund fliegen, dann verzieht man vor diesem ekligen Charakter selbst als Leser das Gesicht.

Wer aber ist in diesem Roman die Figur, mit der sich der Leser identifizieren soll, mit der er mitfiebern und mitleiden soll? Die Haremsdame Neferure, die erkennen muss, dass sie dem Pharao doch nicht so viel bedeutet, wie sie hoffte? Oder die junge Prinzessin Sauskanu, die ihre erste große Liebe aufgeben soll, um der staatlichen Beziehungen willen mit einem ihr unbekannten fremdländischen Herrscher verheiratet zu werden? Oder der alte Wesir Paser, der Ramses´ jähzorige Befehle weise und abgemildert auszuführen versucht? In jedem Erzählstrang gibt es gute Charaktere, die als Kandidaten in Frage kämen, aber am Ende hat mich keine Figur „gepackt“, gab es kein Schicksal, das ich mit Bangen und Hoffen durch das Buch verfolgt habe.

Nun können auch andere Elemente einen Roman interessant oder spannend machen, z.B. ein starker Widersacher, eine große Liebe oder eine sich anbahnende Katastrophe. All dies wird von der Autorin auch eingeführt: Die schwarze Königin bekämpft Ägypten, Prinzessin Sauskanu verliebt sich in ihren Jugendfreund Abdas, und Moses kann die Hebräer nicht vor Ramses‘ Forderungen schützen. Aber keiner dieser Handlungsteile trägt den Roman, keiner wird zur existenziellen Krise; alle bleiben nur Episoden – und letztlich verlaufen all diese gut erdachten Komplikationen im Sand.

Dennoch haben wir es hier mit einer guten Geschichte zu tun, die gekonnt und locker erzählt wird. Trotz kleinerer Ungenauigkeiten beschreibt die Autorin mit einigem Fachwissen, wie sie sich das Leben zur Zeit Ramses II. vorstellt. Der Leser erhält einen Einblick in ihre Vorstellung vom Leben am Hofe, wie man sich kleidete und was man aß. Wer sich für das alte Ägypten interessiert, wird das Buch sicher gerne lesen. Etwas mehr Spannung, Romantik oder eine liebenswerte Hauptfigur hätten der Geschichte aber gut getan.

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