Der junge Suti verlässt den Hof, auf dem er bisher gearbeitet hat, um in der großen Stadt Theben neu anzufangen. Dort freundet er sich mit dem etwa gleichaltrigen Houy an, der in allerlei krumme Geschäfte verwickelt ist. Gleichzeitig lernt er auch den Prinzen Amenhotep kennen und verliebt sich in dessen Schwester Nefertari. Als diese seine Gefühle erwidert, beginnt für beide eine glückliche Zeit. Parallel dazu führt er jedoch auch ein anderes Leben, das er vor ihr verheimlicht: das, in dem er mit Houy für dessen zwielichtigen Auftraggeber Leute bespitzelt. Dabei kommt er einer Verschwörung auf die Spur, deren Spur bis in den Palast hinein führt.
Ähnlich wie Judith Mathes es mit ihren beiden ersten Romanen machte, so lässt auch Horst Hustert seinen zweiten Roman nur eine Generation später als den ersten spielen und baut am Rande der Handlung Figuren aus dem ersten Roman ein. Sein zweibändiges Erstlingswerk hieß Der Rivale des Pharaos und handelte von Sen und Merit – ein einfacher Junge verliebt sich in eine Prinzessin und erlebt viele Abenteuer. In diesem Buch lernen wir nun die Kinder von Sen und von Merit kennen: Suti und Nefertari. Und auch hier verliebt sich der einfache Suti in die Prinzessin Nefertari und erlebt einige spannende Abenteuer. „Sen und Merit 2.0“ möchte man sagen. Trotz einiger Parallelen ist dieses Buch allerdings kein bloßer Abklatsch des „Rivalen“ – alleine schon deswegen, weil sich die Liebesgeschichte der beiden Hauptpersonen ganz anders entwickelt.
Horst Hustert legt auch in diesem Buch wieder einen flüssigen, leicht zu lesenden Erzählstil vor. Die Handlung hat spannende und anrührende Bestandteile, sodass man der Geschichte gerne folgt und das Buch mühelos in kurzer Zeit durchlesen kann. Dazu trägt auch Husterts recht moderne Sprache bei, wenngleich „Puristen“ sicher bemängeln könnten, dass diese Sprache nicht zu einem historischen Roman passt. Dafür stolpern Ägyptenneulinge aber auch nicht über Fachbegriffe, die sie erst hinten im Buch nachschlagen müssen. Ob Worte wie „verarschen“ oder „Scheißdunkelheit“ unbedingt ins alte Ägypten gehören, mag jeder für sich selbst beurteilen. Mit Sicherheit aber benutzte man auch damals Kraftausdrücke, und vermutlich werden dabei die gleichen Körperteile wie heute eine Rolle gespielt haben. Die Wahl des Autors ist daher so legitim wie jede andere.
Mehr als an der modernen Sprache störte ich mich an kleinen inhaltlichen Ungereimtheiten. Wenn Suti doch seine Mutter liebt, warum besucht er sie dann in all den Jahren nicht ein einziges Mal auf dem Gut oder bekommt von ihr wenigstens einen Brief? Und wenn man Figuren aus dem ersten Roman am Anfang der Geschichte eine aktive Rolle zuweist, warum kommen Sie dann im weiteren Verlauf überhaupt nicht mehr vor? Horst Hustert schildert uns also bestimmte Ausgangssituationen für seine Geschichte, lässt diese aber im weiteren Verlauf der Handlung dann völlig unbeachtet.
Mich störte auch das etwas dick aufgetragene Happy End. Ein etwas nüchterneres Ende hätte dem Roman meines Erachtens besser zu Gesicht gestanden. Nicht ganz begriffen habe ich auch, warum der Roman „Nefertaris Vermächtnis“ heißt. Ganz abgesehen davon, dass es uns verrät (Achtung: Spoiler-Alarm!), dass Nefertari das Ende des Buches nicht lebend erreicht: Was soll ihr Vermächtnis denn sein? Der Stern zu dem Suti manchmal nachts aufschaut? Oder die Tatsache, dass sie ihm zweimal im Traum erscheint? Oder dass es ihr letzter Wunsch war, Suti möge die Ausbildung zum Arzt machen? Ich weiß es nicht, finde aber, dass alle drei Handlungsteile so unbedeutend sind, dass man das Buch nicht danach hätte betiteln sollen.
Als romantisch veranlagter Leser möchte ich auch nicht unbedingt lesen, wie eine große Liebe am Schicksal oder an schnöder Krankheit scheitert. Ich lese lieber von einer bedingungslosen und lebenslangen Liebe, wie der zwischen Sen und Merit in Husterts erstem Roman. Eine Liebe, die vielleicht in Gefahr gerät und die eigentlich gar nicht sein darf, gegen die aber die ganze Welt – und selbst der Pharao – machtlos ist. Dass in diesem Roman die Liebesgeschichte gewaltsam abgebrochen wird, ist einer der Gründe, warum mich dieser zweite Roman einfach nicht so begeistern kann, wie der erste.
Aber Horst Hustert macht auch vieles richtig in diesem Buch. So hat er sich diesmal mehr mit der Epoche und dem Handlungsort beschäftigt und wohl einiges über die erwähnten historischen Personen recherchiert. Es gibt daher diesmal keine historischen Fehler und auch keine zu modernen Fachberiffe. Dafür ist ihm aber die Geschichte nicht so gut gelungen, und das ist letztlich doch die Seele eines guten Romans. Das Buch hält dem Vergleich mit seinem Vorgänger dadurch nicht ganz stand. Vermutlich ist es besser, wenn man den „Rivalen“ vorher nicht gelesen hat. Man kann dann nicht vergleichen und wird auch nicht enttäuscht darüber sein, dass Merit nur kurz vorkommt und Sens Schicksal völlig im Unklaren bleibt.
Das Buch ist dennoch zu empfehlen für Leser, die eine flotte, nicht zu sehr in die Tiefe gehende Ablenkung vom Alltag suchen. Man braucht keine Vorkenntnisse und muss sich auch nicht anstrengen, um bis zum Ende zu kommen – die Geschichte liest sich fast von selbst. Und wem das Buch dann gefallen hat, der kann hinterher noch Husterts zweibändigen Erstlingsroman Der Rivale des Pharaos zur Hand nehmen, von dem er dann vermutlich noch etwas begeisterter sein wird.