Hori und Nachtmin haben ihre Ausbildung zum Arzt bestanden. Bei der Feier zu ihrem Abschluss kommt es in einer Hafenspelunke zu einem Streit zwischen Hori und einem Mitschüler, dem Sohn des Wesirs. Als dieser dabei unglücklich fällt und stirbt, verlangt der Wesir bei der Gerichtsverhandlung Horis Tod. Da keine böse Absicht im Spiel war, verhängt Pharao Sesostris III. jedoch eine andere Strafe: Hori muss in die Weryt, die Stätte der Einbalsamierer. Dort wird er bis zu seinem Lebensende bleiben und arbeiten müssen, denn die Weryt darf niemand je wieder verlassen.
Gleich die erste Leiche, die Hori präparieren soll, ist eine junge Frau, die er im Ausbildungszentrum, dem Haus des Lebens, kennengelernt hatte. Ihre Leiche weist einen unauffälligen Stich unterhalb der linken Brust auf, der bis ins Herz geht; wurde sie ermordet? Als er diese merkwürdige Verletzung auch noch bei einer weiteren jungen Frau findet, weiß Hori, dass draußen tatsächlich ein Mörder umgeht. Da er die Weryt nicht verlassen darf, bittet er heimlich seinen Freund Nachtmin, für ihn einige Nachforschungen anzustellen. Für die beiden jungen Ärzte beginnt eine abenteuerliche Detektivgeschichte.
Über die Arbeit der Einbalsamierer gibt es kaum Aufzeichnungen der Ägypter selbst. Was wir heute darüber wissen, stammt von späteren Geschichtsschreibern wie dem Griechen Herodot oder modernen Röntgenuntersuchungen, die an Mumien durchgeführt wurden. Dass über eine Praxis, die Jahrtausende lang Anwendung fand und die den alten Ägyptern überaus wichtig war, denn nur sie garantierte das ewige Leben, quasi keine Aufzeichnungen existieren, interpretiert Kathrin Brückmann dahingehend, dass es sich um eine Art Geheimwissen gehandelt haben muss. Sie stellt daher die These auf, dass die Bewohner der Weryt, also der Stätte der Einbamlsamierer, diese zeitlebens nicht verlassen durften. Das ist zwar nirgendwo belegt, aber so schafft sie die ungewöhnliche Situation, dass der Held des Romans, Hori, in seinem „Gefängnis“ den Morden auf die Spur kommt, aber sein Freund Nachtmin für ihn „draußen“ den Mörder suchen muss.
Geschickt versteht es die Autorin dabei, dem Leser den gesamten Mumifizierungsprozess ausführlich zu schildern, denn Hori muss nach seiner Ankunft in der Weryt ja in alle Arbeitsschritte zur Vorbereitung der Körper für das ewige Leben eingewiesen werden. Dass die Geschichte dabei nicht langweilig wird, liegt auch an den stets wechselnden Handlungsorten: einerseits der Weryt, wo Hori die Morde entdeckt und andererseits der Stadt, wo Nachtmin die Verdächtigen ausspäht.
Als dritten Handlungspfeiler, neben der spannenden Detektivgeschichte und den Informationen über den Mumifizierungsprozess, baut Brückmann auch noch eine Liebesgeschichte ein, die ihr außerordentlich gut gelungen ist. Sie entwickelt diese aufkeimende Liebe sehr langsam und mit vielen humorvollen Details. Und während sich Nachtmin noch über die schnippische Art seines Schützlings Mutnofret ärgert, ahnt der Leser, dass er längst dabei ist, sich hoffnunglos in sie zu verlieben.
In der bewährten Zusammenarbeit mit der Bochumer Künstlerin Hannah Böving ist auch bei diesem zweiten Roman wieder ein außergewöhnlich schönes Buchcover entstanden, das den Helden Hori, unter den Augen des Totengottes Anubis und angetrieben von der Göttin Maat, bei der Arbeit am Leichnam einer der ermordeten Fauen zeigt. Im Gegensatz zu Bövings sonst eher fantasybetonten Bildern ist dieses wieder so echt altägyptisch, als stamme es direkt von einem 3000 Jahre alten religiösen Papyrus.
Kritikpunkte gibt es kaum. Vielleicht hätte man die Spannung der Geschichte noch etwas erhöhen können, indem man eine der Hauptpersonen mehr in Gefahr gebracht hätte. Und ob es ein kluger Schachzug war, unser Ermittlerduo gleich im ersten Band zu königlichen Leibärzten zu machen, was für zukünftige Bände die Handlungsmöglichkeiten etwas einschränkt und nur wenig Entwicklungsspielraum (zumindest nach oben) lässt, wird sich zeigen. Gehen wir einfach davon aus, dass der Masterplan der Autorin dies berücksichtigt hat. Denn selbstbewusst hat Kathrin Brückmann mit diesem Buch den Beginn einer Reihe angekündigt. Sie formuliert im Untertitel „Hori und Nachtmin, Band 1“ und schreibt im letzten Satz, dass sie vor hat, weitere Abenteuer der beiden Detektive folgen zu lassen. Und wenn sie die Qualität dieses ersten Bandes aufrecht erhalten kann, ist das eine äußerst erfreuliche Aussicht für alle Fans fesselnder und historisch informativer Altägyptenromane.