Die 16-jährige Maren ist mit ihrer Familie nach Ägypten in den Urlaub geflogen. Während der Nilkreuzfahrt sieht sie ein unerklärliches Leuchten im Nil, beugt sich über die Reling, um es besser sehen zu können – und fällt über Bord. Als sie wieder zu sich kommt, guckt sie in die Augen eines jungen Ägypters, der sie aus dem Nil gezogen hat. Wer sie ist und woher sie kommt, weiß sie im Moment nicht mehr, vermutlich hat sie sich irgendwo den Kopf angestoßen. Als sie mit ihrem Retter, der sich als Siamun vorstellt, zu dessen Haus geht, beginnt sie aber zu begreifen, dass dies unmöglich ihre Zeit sein kann. Irgendwie ist sie im alten Ägypten gelandet!
Kurz darauf wird Siamun zusammen mit einer Reihe vielversprechender, junger Männer an den Hof beordert, um dort ausgebildet zu werden. Mara, wie das Mädchen mit dem Gedächtnisverlust von Siamun und seiner Schwester getauft wurde, reist mit ihm in die Hauptstadt. Dort werden beide in die Ränkespiele und Intrigen um die Nachfolge des kranken Pharaos hineingezogen und geraten dabei in immer größere Gefahr, die schließlich sogar lebensbedrohend wird.
Der Roman beginnt mit der Landung der Familie auf dem Flughafen Kairo und Anni R. Ledies beschreibt sehr schön, was jeder Ägyptenurlauber bei seinem ersten Besuch auch so erlebte: die Hitze beim Aussteigen, die Hoffnung, der Koffer möge im ägyptischen Flughafen-Durcheinander nicht verloren gegangen sein und die große Freundlichkeit der ägyptischen Reiseleiter. Man merkt, hier schreibt jemand, der das Land wirklich mag.
Interessant ist, dass die Geschichte aus zwei unterschiedlichen Blickwinkeln geschrieben ist. Natürlich ist Maren/Mara die Hauptfigur dieses Romans, aber die Autorin schiebt immer wieder Abschnitte ein, die aus der Sicht Siamuns, also Maras Retter, geschrieben sind. So erfährt der Leser die Gedanken und Gefühle beider Jugendlicher und das macht das Lesen ziemlich abwechslungsreich.
Eine kluge Idee war es auch, dass Mara ihr Gedächtnis verliert und nicht mehr weiß, wer sie ist und woher sie kommt. So muss Siamun ihr gerade am Anfang viel erklären – und das hilft auch den Lesern, sich leichter in die Geschichte (und in das alte Ägypten) einzufinden. Die Story ist in Teilen ziemlich unwahrscheinlich, z.B. Maras rasanter Aufstieg am Hofe des Pharaos, aber sie wird nie langweilig und macht zu jeder Zeit Spaß. Die Charaktere, auch die der Nebenfiguren, werden schön herausgearbeitet, ob der kränkelnde und zweifelnde Pharao, die selbstsüchtige Prinzessin oder der loyale Diener. All diese Figuren „leben“ wirklich und machen es dem Leser leicht, sie vor dem geistigen Auge auferstehen zu lassen.
Aufgrund des lockeren, modernen Sprachstils liest sich das Buch leicht und ich war immer gespannt, wie die Autorin sowohl die altägyptische Geschichte, aber auch die Zeitreise, zu einem guten Ende bringen wollte. Namen und Gebräuche des Alten Ägyptens stehen dabei nicht so sehr im Vordergrund, wie eingefleischte Fans dieser Epoche sich das in einem historischen Roman wünschen würden, aber letztlich liest man lieber eine gut erzählte Geschichte mit wenigen altägyptischen Informationen als eine informative, aber zähfließende Geschichte.
Wer das Buch aufmerksam gelesen hat, der merkt spätestens auf der letzten Seite, dass diese Geschichte hier noch nicht zuende erzählt sein kann, denn die Autorin hat einige Ankerpunkte gelegt, auf die sie im Laufe dieses Romans dann aber nicht zurückkommt: z.B. den ägyptischen Jungen, dem Maren im Kairoer Museum begegnet und der Siamun ähnelte, oder die geheime Schrift-Verschlüsselung, die Mara erfindet und von der Siamun sagt: „Wenn ich Dir je eine geheime Nachricht zukommen lassen will…“. Beide Elemente hätte man nutzen können, um diesem Buch ein bittersüßes Ende zu geben – oder man könnte die Fortsetzung damit beginnen. Anni R. Ledies – der Name ist übrigens ein Pseudonym – hat sich für den letzteren Weg entschieden und diese Geschichte sogar als Trilogie angelegt, was für ein Erstlingswerk durchaus ambitioniert erscheint. Aber ich freue mich schon auf die Fortsetzung und hoffe, dass die Autorin wieder so schöne Einfälle für die Story hat und ihrem locker-leichten Erzählstil treu bleibt.
Ein Buch, das weder langweilt noch schwer auf der Seele liegt; eines, das man einfach so, locker-flockig, hintereinander weg lesen kann.