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Kultorte

KultOrte. Mythen, Wissenschaft und Alltag in den Tempeln Ägyptens


Seiten: 255 | Verlag: Harrassowitz Erscheinungsjahr: 1. Aufl. 2011 | ISBN: 3447066172 | Rezensiert von: Carina Felske

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Hrsg: Daniel von Recklinghausen, Martin Andreas Stadler

Zu der Sonderausstellung „KultOrte. Mythen, Wissenschaft und Alltag in den Tempeln Ägyptens“, die 2011-2013 im Martin Wagner Museum in Würzburg und im Schlossmuseum Hohentübingen in Tübingen zu sehen ist, erschien ein Begleitband mit dem gleichnamigen Titel, der hier vorgestellt wird.

Auf 255 Seiten findet der geneigte Leser vielerlei Wissenswertes über die Architektur, Kulte und Rituale, die Priester sowie die wirtschaftliche und religiöse Bedeutung der Tempel in Ägypten.
Der Schwerpunkt in diesem Buch sowie in der Ausstellung liegt auf den Tempeln griechisch-römischer Zeit, da die meisten erhaltenen Quellen aus dieser Zeit stammen.

Der Leser erfährt, wie wichtig für die alten Ägypter die Ausübung des Kultes in den Tempeln gewesen ist, denn ohne die Gotteshäuser und die täglichen Rituale konnte keine Weltordnung existieren. Um das zu gewährleisten, mussten strenge Regeln befolgt werden, wie schon das erste Kapitel über „Die ‚Grammatik des Tempels'“ zeigt. Die Dekoration und der Aufbau eines Tempels wurden nicht willkürlich gewählt, sondern die Architektur eines Tempels wurde von den religiösen Ansichten und dem Kult selbst bestimmt. Dies reichte von Inschriften, welche die Götter einladen sollten, hier zu wohnen, bis zur Dekoration zum Schutz des Heiligtums und der Wiedergabe als „Abbild des Kosmos“.

Einige Inschriften beschreiben minutiös den Ablauf von Ritualen, wie der bisher wenig beachtete Papyrus Berlin P8043 aus Dimeder im Fayum, der im zweiten Kapitel „Tägliches Ritual und Feste“ beschrieben wird. So musste der Priester erst fünf Tore durchschreiten und dabei verschiedene Sprüche rezitieren, bevor er vor den Gott treten durfte. In „Mythen, Hymnen, Enzyklopädien“ wird auf ein weiteres, interessantes Ritualhandbuch hingewiesen, das auf den Säulen des Tempels von Esna verewigt wurde. Hier werden kurze „Regieanweisungen“ gegeben, wie das Fest des „Ergreifens des Stabes“ geplant und durchgeführt werden sollte, gefolgt von einer Anleitung, wer und wenn ja wie ein Teilnehmer den Tempel zu betreten hatte. Während Frauen, Ausländer und Aussätzige schon mal gänzlich ausgeschlossen waren, mussten die Priester, die dem Fest beiwohnten, strikte Gebote einhalten, wie beispielsweise unterschiedliche Reinigungsgebote. Der Text auf den Säulen von Esna wird hier in verkürzter Form wiedergegeben.

Doch nicht nur zu Festen mussten Priester strenge Gebote und Rituale einhalten, sondern auch im täglichen Kult, wie das Thema „Opferbringer und Forscher“ zeigt. Wie man am Titel schon erkennen kann, waren Priester aber nicht nur für den Kult zuständig, sondern auch Bewahrer des Wissens und Verfasser von örtlich gebundenen Mythologien, wie der Erschaffung der Welt durch die Göttin Neith im Tempel von Esna, auf die hier im Buch näher eingegangen wird.

Besonders in der Ptolemäer-Zeit, in der griechische Herrscher ihren Machtanspruch auf den Thron Ägyptens legitimieren wollten, war das Zusammenspiel zwischen Priestern und Herrschern sehr wichtig, wie in „Herrscherlegitimität und Herrscherkult“ besprochen wird. Den römischen Kaisern war dies einerlei. Sie wurden von den Priestern nur noch deshalb opfernd vor dem Gott auf die Tempelwände gebannt, um die Weltordnung, die der Pharao durch Opfer beibehalten musste, zu bewahren.

In der Ptolemäer-Zeit gab es eine innige Verehrung von Tieren aller Art. Diese Verehrung war aber eher kultisch bedingt und hing nicht unbedingt mit Tierliebe zusammen, wie wir hier im Kapitel „Tierkult“ erfahren. Tiermumien wurden in Massen als Votivgaben an die Pilger verkauft und Katzen wurden erst stranguliert, um sie anschließend zu verbrennen, damit sie als Rauch zum Sonnengott Re emporsteigen konnten, wo sie ihm bei der Vernichtung seiner Feinde behilflich sein sollten.

Dem gemeinen Volk blieb neben dem Tierkult noch der häusliche Kult, denn ihm war das Betreten der meisten Tempelbereiche verboten. Sie konnten in einer kleinen Kapelle in der Nähe des Tempels ihrem Kult nachgehen oder zu Hause mit kleinen Altären, Statuetten oder durch das Tragen von Amuletten ihre Verehrung zum Gott ausdrücken, wie im Kapitel „Bes, Thoeris und Harpokrates“ näher beschrieben wird.

Dass die Tempel Äyptens nicht nur Orte der Religiosität, sondern auch wahre Wirtschaftszentren waren, erfahren wir im Kapitel „Der ägyptische Tempel als Wirtschaftsbetrieb“. Im letzten Kapitel „Das Schicksal der Tempel in der Spätantike“ wird der Untergang der ägyptischen Religion und ihrer Tempel näher beleuchtet. Unterschiedliche Quellen lassen darauf schließen, dass die Christen nicht, wie oft angenommen, mit einer wahren Zerstörungswut auf die Tempel der heidnischen Götter einfielen und sie in Kirchen umwandelten, sondern dass es mehrere Faktoren gab, die zum Untergang der Sakrallandschaft in Ägypten führte.

Im Vorwort beschreiben die beiden Herausgeber, an wen sich das Buch richtet. Es sei zwar „wissenschaftlich fundiert“, richte sich aber eher an ein Publikum ohne ägyptologisches Studium, das aber dennoch „auf solide und verlässliche Information Wert“ lege. Das gelingt den unterschiedlichen Autoren auf großartige Weise. „KultOrte“ bietet wirklich sehr viele Informationen und bereitet das komplexe Thema der Tempel und Kulte auf verständliche und leicht zu lesende Art und Weise auf. Die Hoffnung der Herausgeber, dem Leser die Welt der altägyptischen Tempel näherzubringen und ihn anzuregen, sich weiter damit zu beschäftigen, wie sie am Ende des Vorwortes schreiben, könnte sich bei vielen Lesern erfüllen. Eine ausgezeichnete Einführung in die Welt der Tempel des alten Ägypten.

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