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Mumien, Tempel, Pharaonen: Eine Geschichte des Alten Ägypten

Autor: Barbara Mertz


Seiten: 336 | Verlag: Theiss Erscheinungsjahr: 1. dt. Aufl. 2012 | ISBN: 3806225001 | Rezensiert von: Carina Felske

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Wollt ihr die ägyptische Geschichte einmal ganz anders erleben? Weit weg von einer puren Aneinanderreihung von Daten und geschichtlichen Ereignissen? Dann ist das Buch „Mumien, Tempel, Pharaonen. Eine Geschichte des Alten Ägypten“ genau das richtige Buch für euch.

Die Autorin Barbara Mertz, die unter ihrem Pseudonym Elizabeth Peters tausende Leser mit der schrulligen Hobby-Ägyptologin und /-Detektivin Amelia Peabody begeistert hat, bietet dem Leser ein buntes Potpourri aus der Welt der alten Ägypter. Beginnend von den Anfängen der ägyptischen Kultur bis hin zur letzten Pharaonin Kleopatra, führt sie den Leser auf einen Streifzug durch 5500 Jahre ägyptischer Geschichte.

Und das macht sie so gewitzt und gleichzeitig mit so viel Sachkenntnis (Barbara Mertz ist promovierte Ägyptologin), dass ich noch nie so unterhaltsam durch selbst die langweiligsten Zeiträume der ägyptischen Geschichte geführt worden bin. Sogar Anfänger werden sich in diesem Buch verlieren, denn die Autorin hat ein unglaubliches Talent dafür, komplexe Zusammenhänge wunderbar logisch und einfach verständlich zu erklären. Der Schreibstil der Autorin ist dabei so herrlich erfrischend und witzig (ganz im Stil der Amelia-Peabody-Reihe), dass ich beim Lesen mehrmals lauthals lachen musste.

Sicherlich werden einige Ägyptologen über ihre Art und Weise zu schreiben, die teilweise sogar ins Romanhafte abgleitet, die Nase gerümpft haben. Doch wie Barbara Mertz so schön in ihrem Vorwort schreibt: „Einem wissenschaftlichen Thema hilft es nur selten, wenn man sich ihm mit verbissener Ernsthaftigkeit nähert.“ Und, so schreibt sie weiter, sie wolle „kein akkurates Geschichtsbuch“ abliefern, sondern eine „lockere Erzählung“, die neben archäologischen Berichten und historischen Theorien auch einiges an „Klatsch“ zu bieten hat.

Bei 5500 Jahren Geschichte auf 336 Seiten bleibt es natürlich nicht aus, dass der Leser auch etwas über Leben, Kultur und Alltag der alten Ägypter erfährt. Aber noch mehr lernen wir über die Arbeit der Archäologen, und mit welcher Akribie und mit welch kargen Mitteln sie oft versuchen müssen, eine Chronologie der altägyptischen Geschichte zu erstellen. Dabei kann die Autorin natürlich aus ihrem eigenen Erfahrungsschatz berichten, aber sie erzählt uns auch viel über die Anfänge der Archäologie.

Doch es gibt nicht nur Positives über die Zunft der Archäologen und Ägyptologen zu berichten. Mit spitzer Feder führt Barabara Mertz uns die Ungereimtheiten einiger Theorien vor Augen und ist dabei so überzeugend, dass wir uns genauso wie sie fragen, wie sich einige Forscher nur so an diesen Theorien festkrallen konnten/können. Schon in ihrem Vorwort ermuntert sie den Leser dazu, auch mal kritisch gegenüber angeblichen Daten und Fakten zu sein, und nicht alles, was man liest und hört, als selbstverständlich hinzunehmen. Und dieser Ansatz zieht sich wie ein roter Faden durch das Buch.

Barbara Mertz ist dabei aber auch durchaus selbstkritisch und gesteht einige frühere Fehler und subjektive Ansichten ein. Sie übt in dem Buch nicht nur formale Selbstkritik sondern ist manchmal auch herrlich selbstironisch und entwaffnend ehrlich. So betont sie z.B. einerseits die Wichtigkeit von archäologischen Funden der prähistorischen Zeit („Äquivalente zu Bierdosen und Melonenschalen sind Fischgräten und Tierknochen“), gleichzeitig kann sie sich aber nicht entscheiden, was sie langweiliger findet: Feuersteingeräte oder Tongefäße.

Den größten Raum der Geschichte des alten Ägypten widmet Barbara Mertz der Amarna-Zeit. Denn, wie sie unumwunden zugibt, ist diese Epoche für sie (und für viele andere auch) am interessantesten.
Hier stolperte ich über mehrere Zeilen, in denen ganz kurz der DNA-Test von Tutanchamuns Familie angesprochen wird. Denn mit keinem Wort erwähnt sie, dass der ehemalige Leiter der ägyptischen Altertümerverwaltung, Zahi Hawass, die Mumie aus dem Grab KV55 Echnaton zugeordnet hat, während sie selbst seitenlang über ihre Überzeugung spricht, die Mumie aus KV55 sei die von Semenchkare. Barbara Mertz vs. Zahi Hawass – das hätte ich zu gerne gelesen!

Ein wenig Recherche brachte des Rätsels Lösung: Die englische Erstauflage stammt aus dem Jahr 1964 und ist zuletzt 2010 überarbeitet worden – jedoch erfolgten die Überarbeitungen meines Wissens nie durch die Autorin selbst. Wahrscheinlich sind die paar Sätze über die neuen Untersuchungen von Tutanchamuns Familie einfach der Vollständigkeit halber von einem Anderen hinzugefügt worden. Schade, dass der Theiss Verlag dies nirgends erwähnt, noch nicht einmal, dass die Erstauflage aus dem Jahr 1964 stammt. Das Alter merkt man dem Buch übrigens, auch dank der gekonnten Überarbeitungen überhaupt nicht an (von der eben benannten Stelle vielleicht abgesehen. Aber es wäre zugegebenermaßen auch sehr schwer gewesen, die Untersuchungen irgendwie logisch hinzuzufügen, ohne dabei Fragen und Verwirrung hervorrzurufen).

Unglücklicherweise ist dem Verlag noch ein Fauxpas bei den Karten passiert und man hat Ober- und Unterägypten verwechselt. Und das, obwohl Barbara Mertz in ihrem Buch so schön erklärt, wieso der Süden Oberägypten und der Norden Unterägypten heißt (weil der Nil oben (im Süden) entspringt und unten (im Norden) endet).

Dennoch kann man dem Theiss-Verlag nur dankbar dafür sein, dass er „Mumien, Tempel, Pharaonen“ fast 50 Jahre nach der Erstauflage ins Deutsche übersetzt hat.
Aber mein großer Dank gilt natürlich der Autorin selbst: Danke, Barbara Mertz, für diesen wunderbar unterhaltsamen Ausflug in die ägyptische Geschichte!

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