Morgens, 8 Uhr. Taxifahrer Abdul ist da, Reiseleiter Mohamed fehlt. Anruf bei Mohamed. Er steckte noch auf der Fähre. Also mit Taxi dorthin. Kaum angekommen, entschuldigte sich Mohamed mehrfach bei uns und erklärte, dass es Probleme am Tickethäuschen gab.
Der Beamte dort bestand darauf, 5$ für den Tempel in Deir el-Schelwit zu nehmen. Nur mit Mühe konnte Mohamed ihn mit ägyptischen Pfund zufriedenstellen. Verwundert stellten wir fest, dass tatsächlich auch auf den Tickets selbst 5$ stand. Warum, weiß kein Mensch.
Esna – Ein tiefergelegter Tempel
Wir erreichten den Esna-Tempel, der mehrere Meter unter dem heutigen Stadtniveau liegt. Also eine lange Treppe hinunter. Außer uns verirrte sich nur ein weiterer Tourist in diesem Tempel, der – unserer Meinung nach zu unrecht – mittlerweile von vielen Nilkreuzfahrtschiffen gemieden wird. Esna ist Dendera kompakt. Die hohen Säulen mit wunderschönen Kapitellen tragen eine Decke mit sehenswerten astronomischen Darstellungen.
Leider stand genau in der Ecke, in der die Farben im alten Glanz leuchteten, das Baugerüst. Hier sind die Restauratoren noch fleißig an der Arbeit. Genauso wie ein Geschwader Tauben und Spatzen, die sich durch die obrige Vergitterung bemüßigt gefühlt haben, mit waghalsigem Sturzflug durch den Touristeneingang des Tempels zu flitzen.
Schlecht für den Tempel, schlecht für einen der Wärter. Statt entspannt in der Sonne zu sitzen, musste er den Vogelkot mit einem Spachtel von den Säulensockeln kratzen. Und wenn er hinten fertig war, konnte er vorne wieder anfangen. Man fragt sich unwillkürlich was schlechter ist für den Tempel, die Hinterlassenschaften der Vögel oder der kratzende Spachtel.
Als nächstes wollten wir zum Isis-Tempel auf der Westbank von Luxor. Da wir in Esna schon auf der Westseite waren, dachten wir, wir würden nun die Straße auf dem Westufer nehmen. Taten wir aber nicht. Die Erklärung folgte später von Abdul. Die Straße ist in einem schlechten Zustand und die Polizei hätte uns nicht durchgelassen.
Abduls Heim – Eine spritzige Angelegenheit
Unser Taxifahrer Abdul lud uns auf einen Tee mit zu sich nach Hause ein. Mal zu sehen, wie ein „normaler“ Ägypter wohnt, wollten wir uns nicht entgehen lassen. Also sagten wir freudig zu. In einem kleinen Dorf vor Luxor gingen wir in ein auf dem ersten Blick unscheinbares Lehmhaus. Wir wurden in ein blau gestrichenes und mit Teppichen ausgelegtes Empfangszimmer geführt, das mit Sitzbänken und großen Kissen bestückt war. Direkt neben der Tür stand Abduls Bett, an der gegenüberliegenden Wand ein alter Fernseher. Während unser Taxifahrer in den hinteren Bereich des Hauses verschwand, erklärte uns Mohamed die arabischen Schriftzeichen auf den Wandbildern.
Abdul kam zurück und servierte uns schwarzen Tee und leckere Plätzchen in roten Verpackungen, die er für uns zwischenzeitlich im Supermarkt gekauft hatte. Er erzählte uns etwas über seine Familie, während Mohamed für uns übersetzte. Als eine hübsche junge Frau vorbeiging, hieß es, sie sei die Schwiegertochter des ältesten Sohnes. Im Laufe des Teetrinkens lernten wir Sohn Nr. 1, Nr. 2 und Nr. 4 kennen.
Apropos Tee. Ob wir das „Hamam“ (häh? ein türkisches Dampfbad? Ne, eine Toilette) benutzen wollten, war eine der ersten Fragen Abduls. Er kennt uns halt. Vor dem Tee hatten wir noch nein gesagt, nach dem Tee hatten wir unsere Meinung geändert.
Unser Auftritt im Hamam
Wir kamen in einen breiten Flur, der genauso schlicht eingerichtet war, wie der Empfangsraum. Auf einem Stuhl saß Abduls Frau, die uns freundlich lächelnd begrüßte. Seine Schwiegertochter zeigte uns das Hamam, das aus einem Vorraum mit Waschbecken bestand. Die Toilette selbst lag hinter einer Wand und bestand aus einem Plumps- und Sitzklo.
Als ich im Vorraum auf Nadine wartete, hörte ich plötzlich einen spitzen Schrei. Was war los? Ich rannte um die Ecke und sah meine Begleiterin von oben bis unten mit Wasser bespritzt. „Ich habe nur die Toilettenspülung betätigt“, versicherte sie mir. Unsere Blicke senkten sich gleichzeitig auf ein gebogenes Metallröhrchen, das aus dem Toilettenrand hervorlugte. Für den vermuteten Zweck der Spülung war es allerdings in die falsche Richtung gebogen. Nämlich nach oben. Die eigentliche Spülung bestand aus einem Plastikeimer.
Wir starrten auf den mit Wasser vollgespritzten Toilettenrand. Was sollte man von uns denken?! Ein Taschentuch musste her. „Warte, ich hab eins!“, stieß ich freudig hervor und zog es schwungvoll aus meiner Hüfttasche. Plopp! Entsetzes Schweigen. Mein Kugelschreiber guckte über den Rand des Plumpsklos hervor. Und nur ein Taschentuch! Wir entschieden uns für den Kuli und traten den Gang nach Canossa bei Abdul an.
Überall Löcher!
Statt der geteerten Straße wählte Mohamed die Anreise über die Schotterpiste hinter der Mauer des Medinet Habu Tempels. Er wollte uns nämlich ein Ruinenfeld zeigen, das voller tiefer Löcher war. Ob die bis zu 8m tiefen Löchern von „Grabräubern“ oder Archäologen stammten, konnte uns nicht einmal Mohamed sagen (vermutlich eher ersteres).
Isis‘ Tempel – eine saubere Sache
Wir waren über die Länge der Strecke zum Isis-Tempel erstaunt. Auf google maps sah es kürzer aus. Schon bei der Anfahrt war zu sehen, dass alles tippitoppi aussah. Die Amerikaner haben ganze Arbeit geleistet, auch bei der Restaurierung. Die Farben der Wandmalerein waren vom Ruß befreit, die Reliefs waren mit am Boden angebrachten Strahlern beleuchtet, wodurch sie plastisch hervorstachen.
Auch in die kleinen undekorierten Nebenräume kann man mal einen Blick werfen, aber Achtung! Taschenlampe mitnehmen. Die Solaranlage auf dem Dach war vielleicht so teuer, dass es für Nebenstrahler nicht mehr reichte. Trotzdem eine gute und umweltfreundliche Idee! Wir konnten kaum glauben, dass wir unter den ersten 50 Besuchern waren (wie uns der Wächter berichtete), die das kleine Schmuckstück gesehen haben. Definitiv einen Besuch wert!
Malkata – Amenophis‘ Scherbenhaufen
Schon auf dem Hinweg hatte Mohamed einen Stopp beim französischen Grabungshaus eingelegt. Wir konnten das Haus besichtigen, weil der einzige Gast zur Zeit eine kleine getigerte Katze war, die uns schnurrend und maunzend um die Beine lief. Wunderschöner Garten, tolle Dachterrasse und ein (leider leerer) Swimmingpool – Archäologe müsste man sein.
Zweiter positiver Aspekt dieses ersten Stopps war, dass Mohamed zufällig den Wärter für Malkata kennenlernte. Und der führte uns jetzt nur zu gern durch die Ruinen, zuerst durch den alten Palast von Pharao Amenophis III. Er konnte uns Reste von Bemalungen zeigen, die wir alleine nie gefunden hätten, weil sie absichtlich versteckt sind.
Der Wächter führte uns auf einen Hügel, auf dem zahlreiche Scherben lagen. Unter uns knirschte und knackte es. Wegen der Menge der Scherben stand hier vermutlich mal eine Töpferei. Oben angekommen, zeigte er uns, wo früher der Palastteich war, der heute als ägyptisches Feuchtbiotop der Bauern dient.
Als wir schon dachten, nun wäre es zu Ende, zog der Wächter noch einen Joker aus der Galabyia. Er zeigte uns den Tempel des Amun von Amenophis III. Natürlich sind auch hier nur die Grundzüge der alten Tempelmauern vorhanden aber die Größe der Anlage war beeindruckend.
Also wir so über das ebenfalls von Scherben übersäte Gebiet wanderten, fiel mein Blick auf eine fayenceblaue Scherbe. Aufgeregt hob ich sie auf und zeigte sie stolz Nadine. Sie bog die Scherbe hin und her und meinte trocken, das wäre wohl eher der Teil eines Gummilatschens. Mist!
Shopping Queens im Souk
Als Mohamed und Abdul dachten, sie hätten jetzt endlich frei, fiel uns unsere lange Shoppingliste ein. Wir ließen uns zum Souk bringen. Abdul hatte dann wirklich Feierabend, Mohamed nicht. Während Jolly sich innerlich grinsend zum Briefmarken kaufen verabschiedete, gab es für unseren Reiseleiter kein Entrinnen. Wir deckten uns mit Tüten von schwarzem Pfeffer, Schals und Kleidung ein. Mohameds Hilfe erwies sich als äußerst zeit- und kostensparend.
Abenteuer Post
Während wir dem Shoppingrausch verfielen, stand Jolly Schlange im Postamt. Wie immer in der falschen Schlange. Dabei war nur ein Kunde vor ihm, aber ein Deutscher. Der hatte etwa 50 Postkarten dabei und wollte sie mit deutschem Perfektionismus selber stempeln. Während er immer noch akribisch jede Postkarte bearbeitete, waren in der Nachbarschlange zwischenzeitlich sieben Ägypter abgefertigt worden. Jolly stand noch immer.
Malesche in der Kalesche
Wir bedankten uns überschwänglich bei Mohamed für die beiden tollen Tage (und seine Geduld) und verabschiedeten uns hoffentlich nicht zum letzten Mal.
Nach der vielen Lauferei und Berge an Einkaufstüten gab es für Nadine und mich zurück ins Hotel nur die Kalesche. Wir wimmelten die Angebote der beiden Kaleschenfahrer ab, eine Sightseeingtour um den Luxor-Tempel zu machen. Stattdessen genossen wir die in Abendrot getauchte Corniche. Endlich da! Erleichtert ließ ich mich mit meinen unzähligen Einkaufstüten aus der Kalesche fallen. Und es gab ein Geräusch, dass ich sofort zuordnen konnte. In meiner Hose klaffte vom Knie abwärts ein langer Riss. Jetzt muss es entweder meine letzte Jeans tun oder es muss wärmer werden.