Tag 2 – Den­de­ra und Aby­dos

Pünktlich um 6.30 Uhr standen wir an der Rezeption, schnappten uns unsere Lunchpakete und gingen zur Fähre, um uns mit unserem Fahrer Abdul (ein Freund Sayeds) am östlichen Nilufer zu treffen. Unsere Fahrt heute sollte uns nach Dendera und später nach Abydos führen.

Etliche Polizeisperren später kamen wir nach ca. anderthalb Stunden Fahrt an unserem ersten Ziel, den Tempel von Dendera, an. Vor dem Tempel befinden sich einige Lauben mit Bänken, auf denen wir uns niederließen und erst einmal in Ruhe unser Frühstück genossen. Als wir auf dem Parkplatz einen Bus ankommen sahen, schlangen wir noch schnell die Reste unserer Mahlzeit herunter, packten eilig unsere Sachen zusammen und eilten in den Tempel, um vor der nächsten Touristenhorde dort zu sein.

Im Tempel von Dendera

Dendera-Tempel
Der Tempel von Dendera. Die Bänke rechts hinter der Hecke laden zum Verweilen ein

Überwältigt betrachteten wir die wundervoll bemalten Säulen und die faszinierende Decke im 1. Hypostyl mit ihren astronomischen Darstellungen. Umso enttäuschter waren wir von den Reliefs, die hier vor vielen hundert Jahren von den Christen als heidnisches Zeug betrachtet und ausgemeißelt wurden.

Die Glühbirne von Dendera

Ein Bakschisch-Jäger winkte mich herbei und lud mich ein, über die Bandabsperrung auf der linken Seite zu steigen. Hier waren die Reliefs schon besser, ich zückte meine Kamera und machte ein paar Fotos. Der Bakschisch-Jäger hatte ein untrügliches Gespür für meine Begeisterung und führte uns zu dem Eingang einer Krypta. Ich freute mich, die Gelegenheit zu haben, in sie hinabzusteigen, denn laut einer Freundin, die schon mehrmals hier gewesen war, kann sie auch mal verschlossen sein. So bekam ich dann doch wie erhofft die „Glühbirne von Dendera“ vor die Linse.

Wieder aus der engen, stickigen Krypta hinaus, kam natürlich der Bakschisch-Jäger sofort wieder angelaufen, der uns gleich noch mehr zeigen wollte. Und so kam unser gestern neu gelerntes „la“ das erste Mal zum Einsatz und tatsächlich zeigte es seine gewünschte Wirkung.

Die mysteriöse Glühbirne von Dendera
Die mysteriöse „Glühbirne von Dendera“

Auf dem Dach

Ein wenig orientierungslos gingen wir durch die verschiedenen Räume, die um das Allerheiligste herumlagen. Ich hatte mir genau aufgeschrieben, welche Reliefs wo zu sehen waren. Aber aufgrund der Ähnlichkeit und dem teilweise schlechtem Zustand der Reliefs war es sehr schwer, meine Notizen nun auch den entsprechenden Räumen zuzuordnen. Die östliche Treppe, die wir eigentlich zum Dach hinauf nehmen wollten, war gesperrt. Also gingen wir die westliche Treppe nach oben. An den Wänden sahen wir eine Priesterprozession, die ausgestattet mit den unterschiedlichsten Standarten, feierlich und bis in alle Ewigkeit nach oben marschierte. In der Antike trugen die Priester die Statue der Hathor am Neujahrstag nach oben aufs Dach, wo sich die Göttin mit ihrem Vater, dem Sonnengott Re, vereinigen sollte.

Die Treppe rauf zum Dach
Die Treppe rauf zum Dach. Schon vor 2000 Jahren nutzten die Priester des Tempels diese Treppe

Oben angekommen, gingen wir in ein Heiligtum, das geschmückt war mit Bildern des Osiris-Mythos und mit schönen Darstellungen der Himmelsgöttin Mut, deren Körper sich ausgestreckt an den Decken wölbte. So wenig spektakulär, dass wir ihn fast übersehen hätten, erwies sich der Tierkreis von Dendera, der sich an der Decke der östlichen Kapelle befindet. Hierbei handelt es sich um eine Kopie. Das Original liegt im Pariser Louvre.

Rundgang um den Tempel – Heimliche Voyeure

Vogel an den Außenwänden des Dendera-Tempels
In kleinen Ritzen der Außenwände haben kleine Spatzen ihre Nester. Leider machen sie auch viel Dreck.

Nachdem wir noch ein wenig die Aussicht genossen hatten, gingen wir wieder zurück durch die enge, stickige Treppe und wieder nach draußen, um einmal um den Tempel zu laufen. „Kleopatra? Kleopatra?“ Was im Karnak-Tempel Nefertari, war hier Kleopatra. Dieses Mal wimmelten wir den Wärter aber sofort ab. Nachdem wir schließlich Kleopatra im Kasten und dem kleinen Isis-Heiligtum gegenüber einen kurzen Besuch abgestattet hatten, sahen wir unseren „Kleopatra“-Rufer, wie er heimlich mit seinem Handy Fotos einer Touristin machte, die ihre langen Beine in Hotpants zur Schau trug. Als der Wärter merkte, dass wir ihn auf frischer Tat ertappt hatten, ließ er sein Handy schnell wieder in seiner Hosentasche verschwinden. Wir zuckten nur mit den Achseln, denn unser Mitleid für eine Frau, die in einem arabischen Land so viel Haut zeigt, hielt sich sehr in Grenzen.

Wie süß! Fledermäuse!

In einem der angrenzenden antiken Gebäude (mir ist leider entfallen, welches es war), schauten wir durch ein kleines Guckloch in eine Rumpelkammer. Dort hing eine Reihe von kleinen Fledermäusen an der Decke, was von uns mit lauten Entzückungsbekundungen registriert wurde. Solange sie nur schliefen und uns nicht ins Gesicht flogen…

Nun noch schnell am Ausgang den seltsam grotesk anmutenden Zwerg Bes fotografiert, ein vom schlechten Gewissen getriebener letzter Blick zur Laube, ob unsere, immerhin fein säuberlich zusammengepackte, Frühstückshinterlassenschaften mangels Mülleimer dort immer noch lagen (taten sie nicht mehr), und weiter ging es nach Abydos.

Abydos

Vogelgezwitscher und Helikopter

Eine ganz besondere Atmosphäre herrscht im 1. Säulensaal, dessen lichtdurchflutete Halle von wohlklingendem Vogelgezwitscher durchdrungen wird. Wir verdrängten schnell den Gedanken, dass die Vögel dort durch ihren Kot eigentlich jede Menge Schäden an den Reliefs anrichteten und gingen weiter durch den 2. Säulensaal. Dort richtete sich unser Blick nach oben, auf der Suche nach einem außergewöhnlichen Relief, das in der Vergangenheit für viele Spekulationen über den Technikstand der alten Ägypter gesorgt hat. Ein Wächter, der uns bei unserem Treiben beobachtete hatte, wusste sofort wonach wir suchten und kam mit aufgeregten „Helikopter? Helikopter?“-Rufen auf uns zu. Ich war sehr dankbar, als er uns das Relief zeigte, das an einem hoch gelegenen Querbalken in der 1. Säulenhalle eingemeißelt war und belohnte ihn mit ansprechendem Bakschisch.

Abydos Helikopter
Ein Missgeschick des Künstlers, doch für einige Beweis für den außergewöhnlichen Technikstand der Ägypter

Gemüter und Kamera abkühlen

Hinter der 2. Säulenhalle folgten 7 Kapellen des vergöttlichten Sethos I. und der Götter Ptah (teilweise zerstört), Re-Harachte, Amun-Re, Osiris, Isis, Horus (von links nach rechts). Durch die Osiris-Kapelle gingen wir hindurch in die Osiris-Halle, wo wir uns am Fuße von einer der 10 Säulen niederließen, den Rest unseres Frühstückes genossen und meine Kamera Gelegenheit hatte, endlich ein wenig abzukühlen. Es war früher Nachmittag und wir waren fast alleine in dem Tempel und somit Freiwild für die Bakschisch-Jäger dort.

Die Aufforderung uns das außerhalb gelegende Osireion zu zeigen, lehnten wir entschieden ab. Noch hatten wir den ganzen Tempel nicht gesehen. Und so wanderten wir mit vor Staunen offenem Mund weiter an den wundervoll farbigen Reliefs und der Auslöseknopf meiner Kamera ging unentwegt nach unten. Leider hatte der Bildersturm der Christen auch vor dem Abydos-Tempel nicht halt gemacht und so waren ein paar der so wunderbaren Reliefs auch hier erbarmungslos herausgehackt worden.

Bevor wir aus dem Tempel herausgingen, betrachteten wir noch die berühmte Königsliste von Abydos, fühlten uns aber von den Wärtern so sehr auf Schritt und Tritt beobachtet, dass wir uns nur wenig Zeit ließen, die Reliefs hier näher zu bestaunen. Wir gingen schließlich relativ zügig, vorbei an der Wildstierjagd mit Sethos I. und dem jungen Ramses, die Rampe hinauf ins Freie.

Das Osireion und der Tempel Ramses II.

Relief im Tempel Ramses II.
Farbenfrohes Relief aus dem Tempel Ramses II. in Abydos

Wir gingen auf das tiefer gelegende Osireion zu und starrten schweigend auf den grünlichen Tümpel, der sich im Inneren des Tempels aufgrund des höheren Grundwasserspiegels gebildet hat. Hier gibt es leider nicht mehr viel zu sehen, so dass wir schon nach kurzer Zeit unsere Karte in die Hand nahmen und rätselten, wohin wir denn nun gehen müssten, um zum Tempel Ramses II. zu gelangen, der hier ganz in der Nähe errichtet wurde. Während wir in unsere Karte vertieft waren, kam ein Wächter mit einer Machete auf uns zugelaufen und bot uns an, uns zu dem Tempel zu führen. Etwas entnervt entgegnete ich, dass wir kein Kleingeld mehr hätten und wir den Tempel schon selbst finden würden. Doch er meinte nur, dies wäre ok und ging strammen Schrittes los. Und tatsächlich verlangte er, nachdem er uns später wieder zum Sethos-Tempel gebracht hatte, keinerlei Bakschisch…

Der Schlüsselmeister

Doch seinem Freund, dem Schlüsselmeister zum Tempel Ramses II., mussten wir fürs Aufschließen dann doch Bakschisch in die Hand drücken. Schnell wimmelten wir ihn ab, als er sich auch noch dazu anschickte uns die Reliefs zu erklären („Look! Cow!“). Enttäuscht zog er sich zurück und wir waren tatsächlich mutterseelenallein im Tempel. Keine lauten Touristen und keine aufdringlichen Bakschisch-Jäger weit und breit. Und so schlenderten wir gemütlich durch den Tempel und ließen uns viel Zeit, das wenige, was noch von ihm übriggeblieben ist, zu begutachten. Und wir stießen tatsächlich auf einige wenige Reliefs, die in ihrer Farbenpracht und Schönheit denen im Tempel von Ramses‘ Vater in nichts nachstanden.

Schließlich kamen dann doch noch unser bewaffneter Begleiter und der Schlüsselmeister, die uns unmissverständlich zu verstehen gaben, es wäre so langsam Zeit zu gehen. Wir machten uns einen Spaß daraus so zu tun, als ob wir sie nicht verstehen würden, lächelten sie stattdessen nur freundlich an und strapazierten ihre Nerven, in dem wir weiterhin jeden noch so kleinen Stein fotografierten und in aller Ruhe unseren Rundgang durch den Tempel beendeten.

Abenteuerliche Taxifahrten

Blick aus Abduls Taxi
Blick aus Abduls Taxi – Auf dem Weg nach Abydos

Es war 14.30 Uhr als wir wieder am Sethos-Tempel ankamen und in unser Taxi stiegen. Uns stand eine lange Rückfahrt von Abydos nach Luxor bevor, unterbrochen von etlichen Straßensperren. Uns fielen während der Fahrt mehrfach beinahe die Augen zu, doch eine Taxifahrt in Ägypten ist viel zu abenteuerlich, um entspannt einzunicken. Am schlimmsten sind die oft halsbrecherischen Überholmanöver, die einem dem Atmen stocken lassen. Die Spuren meiner Fingernägel müssen auch heute noch in Abduls Taxi zu sehen sein.

Auf dem Rückweg fuhren wir zwischen Abydos und Dendera an einer Straße entlang, an der auf 500m mehrere Tierkadaver, vor allem Esel und Maultiere, am Straßenrand lagen. Wir fragten uns, ob sie vielleicht Opfer des ägyptischen Fahrstils geworden waren.

„Crazy egyptians“

Heute Morgen auf der Hinfahrt gaben uns schon zwei Männer ein Rätsel auf: sie spannten direkt vor Abduls Wagen eine Eisenkette über die Straße und stoppten uns somit. Eine neue Art der Kontrolle? Nein, wurden wir aufgeklärt: ein Bahnübergang! Schranken? Fehlanzeige! Die Ägypter mit zweirädrigem Untersatz besaßen den zweifelhaften Vorteil, mit einer Hand die Kette anzuheben und einfach unter sie hindurchzufahren. „Crazy Egyptians“ sagte Abdul und wir brachen in fröhliches Gelächter aus.

Während wir so warteten, gesellte sich auf der Gegenspur eine zweite Reihe von Autos. Ein Lastwagenfahrer direkt neben uns grinste uns mit schiefem Lächeln an und sprach etwas zu Abdul, woraufhin dieser mir zu verstehen gab, ich solle das Fenster hochkurbeln, was ich denn auch ganz schnell tat. Obwohl ich mir oft gewünscht hätte, ich könnte Arabisch verstehen, war es in diesem Moment wahrscheinlich besser, dass ich es nicht tat.

Wust von Autos und Kaleschen

Auf der anderen Seite des Bahnübergangs formierte sich zwischenzeitlich auf der Gegenfahrbahn ebenfalls eine lange Reihe von Autos, angeführt von einer Kalesche und wir fragten uns ernsthaft, wie all die Kaleschen und Autos aneinander vorbeikommen sollten. Die Situation erschien aus unserer europäischen Sicht mehr als aussichtslos, aber dank unseres ägyptischen Fahrers konnten wir uns dann irgendwie doch unbeschadet aus dem Wust von Autos und Kaleschen befreien.

Neugierige Frauen

Auf der Hinfahrt war uns auch schon, wie auf der Fähre, aufgefallen, dass ägyptische Frauen und Kinder mit einer gewissen Neugierde auf uns reagierten. Zwischen Luxor und Dendera fuhr eine ganze Weile ein Kleinlaster, in dessen offenen hinteren Teil es sich eine Gruppe aus Frauen und Kinder bequem gemacht hatte, vor uns her und begafften mich neugierig. Nachdem sie mich völlig ungeniert (gefühlte) mehrere Minuten angrinsten, grinste ich schließlich verlegen zurück und die Gruppe brach in schallendes Gelächter aus. Ich war froh, als der Kleinlaster dann endlich in eine andere Richtung abbog…

Blick aus Abduls Taxi Rückfahrt
Blick aus Abduls Taxi – Zurück nach Luxor

Trotz der halsbrecherischen Fahrweise der Ägypter nickte ich schließlich dann doch unter dem monotonen Singsang des Muezzins, der aus Abduls Radio schallte, erschöpft ein, nur um wenige Augenblicke später unter dem dröhnenden Rhythmen von 50 Cents „Candy Shop“ wieder aufzuwachen. An diesem Tag war ich diejenige, die meine neuen Schuhe verfluchte. Am nächsten Tag würde ich wieder meine bequemen Turnschuhe anziehen. In der Dunkelheit stiegen wir in Luxor wieder am Ostufer aus, bedankten uns herzlich bei Abdul und gaben ihm um einiges mehr als die vorher vereinbarten 450 Pfund. Wir fuhren hinüber zum Westufer, aßen schläfrig unser Abendessen und fielen danach todmüde ins Bett.

Tag 3 – Volles Programm auf der Westbank