Heute ging es wieder um 8 Uhr los. Wir stiegen in Mahmouds Taxi und sahen links von uns eine Ziege kopfüber an der Türschwelle hängen. Heute war Opferfest. Schnell drehten wir uns weg und fuhren, konzentriert geradeaus starrend, erneut Richtung Tal der Könige. Heute Morgen stand das Grab des Eje auf unserem Reiseplan.
Durch das „Tal der Affen“ Richtung Grab des Eje
Wir besorgten unsere Tickets für das Eje-Grab am Tickethäuschen im Tal der Könige und gingen nach links Richtung Berge. Nach kurzem Fußmarsch standen wir ratlos vor dem Wärterhäuschen. Niemand war da. Auch auf unsere Rufe antwortete niemand. Einzig eine ausgemergelte Katze rannte uns zur Begrüßung entgegen, strich uns um die Beine und forderte ihre Streicheleinheiten. Wir wollten gerade unverrichteter Dinge wieder gehen, als plötzlich doch noch der Wärter schlaftrunken aus einer Baracke, die etwas abseits auf einem Hügel lag, herausgelaufen kam. Er bat uns, einen kurzen Moment zu warten, streifte sich eilig eine frische Galabiya über, begrüßte uns freundlich und machte sich strammen Schrittes auf in Richtung Grab des Eje.
Er legte dabei so ein Tempo vor, dass wir kaum hinterher kamen. Er konnte sich wahrscheinlich Besseres vorstellen, als mit uns am Tag des Opferfestes und in der frühmorgendlichen Hitze ein gutes Stück bis zum Grab des Eje zu gehen. Wir ließen uns ein wenig zurückfallen und genossen die wundervolle, bergige Wüstenlandschaft und die erhabene Stille. Schließlich zeigte er doch Erbarmen mit uns und passte sich unserem Tempo an. Er zeigte uns sogar das Grab Amenophis III. – leider nur von außen und so bekamen wir nicht mehr als eine verriegelte Tür zu sehen.
Im Grab des Eje
Nach ca. 30 Minuten Fußmarsch standen wir schließlich vor dem Eingang von Ejes Grab. Der Weg dorthin ist lohnender als das kleine Grab selbst, das dem seines Vorgängers Tutanchamun sehr ähnlich ist. Unser erster Blick fiel auf den Sarkophag, der in der Mitte der Grabkammer steht. Ins Auge sticht ebenfalls die rechte Seitenwand, wo zwölf bläulich gefärbte Paviane hocken. „Affengrab“ – so lautet der wenig rühmliche Spitzname dieses Grabes. Für unseren Wächter war dies das „Tomb of the murderer“, in Anspielung auf die mittlerweile veraltete These, Eje hätte Tutanchamun umgebracht und somit die Macht an sich gerissen. Mit seiner schwachen Taschenlampe wollte er uns den abgesperrten hinteren Raum zeigen. Seine Funzel hatte jedoch keine Chance gegen unsere Halogen-Lampe. Unser Wächter war von der Lichtstärke unserer Lampe so angetan, dass er sie unbedingt haben wollte. Doch wir mussten lachend ablehnen, denn wir brauchten sie noch.
Zurück durch das Tal der Affen – Plaudereien mit dem Wärter
Nach einer Weile gingen wir wieder zurück durch das „Tal der Affen“. Auf dem Rückweg plauderte der mittlerweile völlig aus der Puste geratene Wächter mit uns und lud uns auf einen heißen Tee bei sich ein. Trotz eines unguten Gefühls wollten wir die Gastfreundschaft unseres Führers nicht verletzen und sagten zu.
Die Geschichte meines hypothetischen Traummannes
Unser schlechtes Gefühl wurde nicht besser, als er, angespornt durch unsere Zusage, sich für unser Privatleben zu interessieren begann. Der Weg war noch weit, unser Begleiter hartnäckig und so entschloss ich mich, dieses Mal meine Mann-krank-im-Hotel-Geschichte abzuändern und mir meinen hypothetischen Traummann zu basteln. Und so plauderte ich von meinem reichen, gutaussehenden Ehemann, der aus geschäftlichen Gründen zu Hause bleiben musste. Ich fand meine Geschichte sehr überzeugend. Ebenso wie der Wärter, der sich jedoch nicht an meinem Familienstand zu stören schien und mich fragte, ob ich nicht einen ägyptischen Freund haben wollte. „Oh no! My husband will kill me!“ erwiderte ich lachend und in meinem Kopf fing es panisch an zu rattern, wie wir noch aus der Tee-Nummer rauskommen könnten.
Married… boyfriend… nearly married
Zumindest hatte er seine Ambitionen bei mir aufgegeben und fragte mich nun nach dem Familienstand meiner Reisebegleiterin, die – auf der Flucht vor seinen Fragen – uns mittlerweile ein ganzes Stück voraus war. Hastig antwortete ich „Yes, yes, she’s also married!“, doch kaum waren diese Worte ausgesprochen als auch schon unser Wächter einen Zahn zulegte und meine Freundin schließlich einholte. „No… but I have boyfriend“ hörte ich sie nur von weitem sagen und ich rief hastig hinterher „But she’s nearly married!“. Beim nächsten Mal würden wir uns besser absprechen…. Doch meine Reisebegleiterin verstand den Wink und plauderte fröhlich über ihre bevorstehende Hochzeit drauflos.
Zu Gast bei einem Ägypter
Wir waren froh, als er vor seinem Wärterhäuschen nach links abbog und uns in seine Baracke brachte. Die war wenigstens von vorne komplett einsehbar. Wir nahmen auf einer Steinbank Platz und schauten unserem Gastgeber beim Hantieren an seinem Ofen zu, der mit einer abenteuerlichen Konstruktion an das Stromnetz angeschlossen war. Um ihn einzuschalten, verdrallte er zwei lose Kabel miteinander, um sie anschließend, nachdem das Wasser heiß war, funkensprühend wieder auseinander zu ziehen.
Die anhängliche Katze
Er gab uns zwei Tassen mit Pfefferminzblättern, schenkte uns heißes Wasser ein und setzte sich auf die gegenüberliegende Bank. Ich konzentrierte mich auf die ausgemergelte Katze von vorhin, die schnurrend und maunzend um meine Beine strich. Ich wunderte mich, warum meine Freundin verzweifelt versuchte, ihre Beine den Liebesbekundungen der Katze zu entziehen. Als mir aufging, das arme Ding könnte eventuell Flöhe haben, hatte ich schon ein ganzes Fellbüschel zwischen meinen Fingern verteilt.
Peinliche Stille
Es herrschte peinliche Stille zwischen uns… Im Radio lief ein fröhliches Opferfestlied, das die Situation noch absurder machte: „Mäh Mäh, Allah, Allah!“, gefolgt von dumpfen Schlägen, von denen wir uns lieber nicht ausmalen wollten, was sie bedeuteten. Wir schlürften hastig unseren heißen Tee aus, bedankten uns überschwänglich für die Gastfreundschaft und entschuldigten uns für unsere Eile. Unsere Freunde würden schon am Sethos-Tempel auf uns warten – und das war noch nicht einmal gelogen. Inzwischen waren wir schon fast eine halbe Stunde über der Zeit und so hasteten wir zu Mahmouds Taxi, der uns zum Tempel Sethos I. brachte.
Im Sethos-Tempel
Wir kamen leicht gestresst zu dem Tempel, dessen Bau einst Ramses II. Vater Sethos I. begann und der von seinem Sohn letztendlich vollendet wurde. Die Forums-Truppe nahm uns am Eingang des Tempels im Empfang und wir begannen mit unserer Besichtigungstour. Auch wenn sich die Meinungen bezüglich sehenswert oder nicht über den Sethos-Tempel teilen, ist er aus meiner ägyptomanischen Sicht auf jeden Fall einen Blick wert. Wir waren wie erwartet die einzigen Besucher und durften sogar nach oben auf die Außenmauer des Sonnenheiligtums, von wo aus wir von oben herab einen Eindruck vom Grundriss des Tempels gewinnen konnten.
Nach ca. anderthalb Stunden gemütlicher Besichtigung und jeden-Stein-Fotografierens gingen wir aus dem Sethos-Tempel wieder heraus und marschierten Richtung Carter-Haus, das erst kürzlich neu eröffnet wurde.
Unser Weg führte vorbei an einem Friedhof, wo aufgrund des Opferfestes geschäftiges Treiben herrschte. Von einer ehrwürdigen Stille, wie sie auf unseren Friedhöfen herrscht, war hier nicht viel zu merken. Sogar Autos und Motorräder heizten über einen Trampelpfad quer durch den Friedhof. Die Forumsleute erzählten uns, dass die Aushöhlungen, die überall auf dem Friedhof verstreut liegen, früher mal antike Grabstätten waren.
Im Carter-Haus
Das Carter-Haus
Howard Carter war der Entdecker von Tutanchamuns Grab. Sein Grabungshaus, in dem er zusammen mit seinem Mäzen Lord Carnarvon lebte, wurde im November 2009 nach kompletter Restauration wiedereröffnet. Es liegt kurz hinter dem Abzweig zum Tal der Könige an der Asphaltstraße. Tickets gibt es vor Ort. Wer es dekadent mag, kann dort für mehrere Tausend US$ eine Nacht verbringen.
Nach kurzem Fußmarsch kamen wir schließlich zum Carter-Haus, wo wir uns in dem wunderschön angelegten Garten an einem Tisch setzten. Die Preise sind für ägyptische Verhältnisse horrend, aber wenigstens die Toiletten sind sehr sauber (was sicherlich auch daran liegen mag, dass sich (noch) kaum ein Tourist hierhin verirrt). Und sogar ein Seifenspender hängt hier (sonst bin ich in Ägypten nur auf Seife am Stück getroffen). Und – Service pur – sogar ein Showergel-Spender für verschwitzte Touristen befindet sich direkt daneben. Fehlte nur noch die Dusche.
Nachdem wir nun erfrischt waren, gingen wir durch die Räume des Carter-Hauses und bekamen einen Einblick davon, wie Carter und Carnarvon vor 90 Jahren hier gelebt haben. Neben den Einrichtungsgegenständen, die alles Originale sein sollen, sind auch Dokumente und Briefe (hier sind Kopien ausgestellt) des berühmten Ausgräbers zu sehen.
Der fehlende Hologramm
Das Highlight dieses Hauses wollten wir uns bis zum Schluss aufheben: ein Hologramm Howard Carters (natürlich nicht höchstpersönlich, sondern ein Schauspieler), das uns etwas über sein Leben und seine Arbeit erzählt. Umso länger wurden unsere Gesichter, als wir erfahren mussten, dass die dafür zuständige Dame wegen des Opferfestes schon Feierabend gemacht hatte und anscheinend kein anderer das Gerät für das Hologramm bedienen konnte. Als ein Aufseher unsere enttäuschten Gesichter bemerkte, begann dieser mit einer von ihm persönlich zusammengefassten Geschichte über Howard Carter.
Obwohl wir seine Bemühungen zu schätzen wussten, unterbrachen wir ihn aber schon nach wenigen Sätzen freundlich und bedankten uns höflich für seine Mühe. Wir kennen Carters Geschichte, hätten sie aber doch gerne mal „höchstpersönlich“ von ihm selbst gehört. Todernst meinte er daraufhin: „The film is bad, it’s black-white. Trust me! I saw it!“ Wir verkniffen uns ein Lachen und gingen hinaus.
Die Gräber von Roy und Shuroy/ Der Weg zum Tal der Noblen
Wir begaben uns zu den Gräbern von Roy und Shuroy. Während sich unsere Begleiter in den Schatten setzten, gingen meine Reisebegleiterin und ich mit einem missgelaunten Wärter durch die beiden Gräber. Besonders wegen des guten Erhaltungszustandes des Grabes von Roy lohnt einen Besuch allemal!
Nach einer kurzen Verschnaufpause ging es weiter Richtung Tal der Noblen. Mittlerweile herrschte brütende Mittagshitze. Die Forums-Leute witzelten darüber, dass der Reiseleiter des Busses, der gerade an uns vorbeibrauste, uns wahrscheinlich als abschreckendes Beispiel benennen wird, was man in Ägypten in der Mittagshitze unbedingt NICHT tun sollte. Das erschien uns in diesem Moment sehr einleuchtend…
Wir gingen vorbei an hübsch bis kitschig angemalten Alabaster-Manufakturen, wo wir die gleichen Alabastersteine en masse liegen sahen, die uns tags zuvor noch für 15 Pfund je 6 Stück vor einem Alabaster-Geschäft aufgeschwatzt worden waren.
Taube Ohren
Querfeldein marschierten wir direkt am menschenleeren Ausgrabungsfeld beim Totentempel Thutmosis III. vorbei. Ein Wärter schrie aus der Ferne mehrmals „Hallo“, womit er uns wohl darauf aufmerksam machen wollte, dass man hier nicht so einfach durchlaufen durfte. Der Weg zur Straße war zu steil, der Weg zurück zu weit und so stellten wir uns taub und hofften, er würde zu faul sein, den Hügel zu uns hinunterzulaufen. Wir gingen noch ein Stückchen weiter, bis der Abhang nicht mehr ganz so steil war und wir wieder auf die Straße konnten.
Kurz davor hatte uns ein zweiter Wächter erreicht und ich erwartete ein riesiges Donnerwetter. Doch er stellte uns nur freundlich die Frage, die jeder Ägypter in der Regel als erstes stellt: „Where do you come from?„. Wenn man dann wahrheitsgemäß mit „Germany“ antwortet, folgt normalerweise – „Ohhhh. German is first!“ , was wahrscheinlich passend zu jeder anderen Nationalität gesagt wird. Eine andere Antwort-Variante ist das gastfreundliche „Welcome to Egypt!“ Oder, ein running gag in Ägypten: „Welcome to Alaska!“
Im Tal der Noblen
Nach einem nie enden wollenden Fußmarsch erreichten wir doch noch völlig erschöpft das Ramesseum-Cafe, wo wir uns dankbar niederließen. Doch für uns zwei war der Tag damit noch nicht zu Ende. Nach einer kurzen Pause ließen wir die Forums-Leute zurück und schlurften müde Richtung Tal der Noblen. Es war immer noch sehr heiß und zu allem Übel ging es auch noch bergauf… Ich wusste, dass meine Waden mich am Abend hassen würden aber ich wusste auch, dass sich diese letzte Kraftanstrengung lohnen würde.
Wir kamen ziemlich außer Atem in das Tal der Noblen. Nachdem wir ein paar Mal tief durchgeatmet und uns gesammelt hatten, konnten wir endlich die Gräber und die Ruhe dieses Ortes genießen. Unverständlicherweise verirren sich nur verhältnismäßig wenige Touristen hierhin. Dabei steht die Schönheit dieser Gräber denen im Tal der Könige in nichts nach. Nur anstatt pompöser Gräber mit „mythisch-abstrakten“ Darstellungen aus dem Totenkult der Pharaonen sieht man hier kleinere Gräber mit wundervollen und farbenprächtigen Darstellungen aus dem Alltagsleben und dem Totenkult der „Oberen 10 000“.
Navigation mit Handy – aber ohne GPS
Nach den drei Gräbern Ramose, Userhat und Chaemhat, von denen eins schöner als das andere ist, hatten wir Mühe, die beiden anderen Gräber von Nacht und Menna zu finden. Aber kein Problem! Wir riefen mit unserem ägyptischen Handy die Forumsleute an, die im Ramesseum-Cafe auf uns warteten, winkten mit unseren Hüten/Tüchern und bedeuteten ihnen dadurch, an welcher Stelle wir gerade standen. So lotsten sie uns durch die Gegend, was sich aus der Ferne aber dann doch nicht als so einfach erwies, wie gedacht.
Wir ahnten schon, was auf uns zukam, als wir sahen, wie ein paar Meter unter uns ein Motoradfahrer sein Gefährt in den Wüstensand schmiss und mit schnellen Sätzen zu uns hinauf hastete. Natürlich genau dann, als wir auf dem richtigen Weg und schon fast am Grab des Menna waren. Er ging mit uns zusammen die restlichen paar Meter und fragte natürlich nach „little money“. Wir nahmen ihn beim Wort und gaben ihm 50 Piaster. Das war ihm natürlich viel zu wenig und patzig entgegnete er uns, er wolle „10 Pfund“ haben. Entsetzt winkten wir ab und meinten wir hätten nicht mehr Geld, was noch nicht einmal unter der „Rubrik“ Ausrede zu verbuchen war, denn in unseren Taschen herrschte mal wieder gähnende Kleingeld-Leere. Säuerlich wünschte er uns noch „nice day“, murmelte noch etwas hinterher, was wir besser nicht verstehen wollten und stapfte davon.
Im Grab des Nacht – Das Ende eines langen Tages
Ich war begeistert von dem Grab des Nacht, das ich aufgrund seiner berühmten Darstellung eines Festmahles unbedingt sehen wollte. Ungewöhnlich ist das Grab auch deshalb, da es wie ein kleines Museum aufgemacht ist. Am Eingang steht hinter einer Vitrine die Statue des Grabherrn und an den Wänden hängen Beschreibungen von den Grabmalereien. Um die Originale zu schützen, ist das Grab des Nacht mit Dämmmatten ausgelegt, die Erschütterungen verhindern sollen. Zudem befinden sich die Grabmalereien hinter Glas, aber das alles tut der Schönheit dieses Ortes keinen Abbruch.
Wir gingen zusammen mit „Osiris“ (Spitzname von einem der Forumsleute), der uns freundlicherweise vor dem Grab des Nacht aufgegriffen hatte, wieder zurück zu den anderen, wo schon unserer Taxifahrer auf uns wartete. Wir quetschten uns mit acht Leuten in sein Taxi und fuhren zurück zum Hotel. Was für ein Tag heute!
Abends saßen wir auf der großen Dachterrasse unseres Hotels und blickten auf den angestrahlten Luxor-Tempel in der Ferne. Während ich meine obligatorische Tomatensuppe (übervorsichtig) schlürfte und meine Reisebegleiterin ihr aufwendiges Menü (überhaupt nicht vorsichtig) in sich hineinschob, ließen wir noch mal unsere Erlebnisse im „Tal der Affen“ Revue passieren. Schließlich prusteten wir vor Lachen. Alles Unwohlsein, das wir in dieser Situation gespürt hatten, war verflogen.