Manetho und Co – Auf den Spuren der Pharaonen

Eine genaue Chronologie der Pharaonen zu erstellen, ist nicht einfach. Die alten Römer nahmen ihre Stadtgründung (753 v. Chr.) als Anfang ihrer Zeitrechnung, wir richten uns nach der Geburt Christi. Die alten Ägypter hatten keinen Fixpunkt.

Sie zählten einfach die Regierungsjahre eines jeden Pharaos und nach seinem Tod fingen sie wieder von vorne an. „Tag 2 des 1. Monats der Jahreszeit peret im 5. Regierungsjahr von Neb-Maat-Re (Amenophis III.)“. Das erleichtert die Arbeit der Ägyptologen nicht gerade. Aber sie können glücklicherweise sowohl historische Quellen als auch neuzeitliche Forschungsmethoden zu Hilfe nehmen.

Die Chronologie eines Griechen in Ägypten

Manetho war ein ägyptischer Priester, der in Sebennytos im Nildelta geboren wurde und als Priester in Heliopolis zur Zeit des griechischen Herrschers Ptolemaios II. (285 – 246 v. Chr.) lebte. Manetho sollte für den König eine möglichst umfassende Geschichte Ägyptens schreiben.

So begann er mit seiner Chronologie von ca. 3100 v. Chr. an, wo Götter und Halbgötter regierten und endete bei der 2. Persischen Herrschaft (bis 332 v. Chr.). Aber Manetho schrieb nicht nur die Pharaonen und ihre Regierungszeiten nieder sondern ergänzte seine Annalen noch mit wichtigen geschichtlichen Ereignissen.

Manethos Dynastien-Idee

Manetho kam bei seinem Werk auf die bahnbrechende Idee, Herrschergruppen in Dynastien einzuteilen – eine Abfolge von Herrschern, die in der Regel miteinander verwandt waren oder den gleichen Regierungssitz hatten. Auch heute noch teilen wir die Ägyptens Geschichte in Dynastien ein. Der Priester wertete für seine Aegyptiaca wahrscheinlich die unterschiedlichsten Quellen aus, wie unten genannte Königslisten. Als Priester hatte er sicherlich auch Einblicke in die Tempelarchive, wo wertvolle Dokumente über die Vergangenheit des Landes aufbewahrt wurden.

Abschriften helfen bei der Chronologie

Von Manethos Ursprungswerk ist heute leider nichts mehr übriggeblieben. Aber Gelehrte aus späterer Zeit fertigten Abschriften an. In diesem Zusammenhang seien besonders Josephus, Africanus und Eusebius erwähnt, die aber alle 300 bis 600 Jahre nach Manetho gelebt haben und die wahrscheinlich schon selbst nicht mehr das Original vorliegen hatten. Die Aegyptiaca wurde von ihnen mehrfach überarbeitet und mit eigenen Anmerkungen ergänzt. Was zu einigen Schwierigkeiten bei der Auswertung geführt hat. So stimmen einige Regierungszeiten und Herrscher bei den verschiedenen Abschriften nicht überein.

Obwohl die Aegyptiaca nicht frei von Fehlern ist, wie Forscher immer wieder feststellen mussten, war sie dennoch ein wichtiges Grundgerüst bei der Erfassung der ägyptischen Geschichte.

Der Palermostein und der Königspapyrus von Turin

Palermo-Stein
Bild auf Seite 526 der „Abhandlungen der Königlich Preussischen Akademie der Wissenschaften

Auf dem Palermostein befindet sich die älteste erhaltene Chronik des alten Ägypten. Sie entstand wahrscheinlich in der 5. Dynastie unter Pharao Neferirkare und muss ursprünglich 2,10 m lang und 60 cm breit gewesen sein.

Leider sind von der Dioritplatte nur wenige Fragmente erhalten, die meisten sind verschollen. Das größte Teilstück besitzt das Archäologische Regionalmuseum in Palermo, andere sind im Ägyptischen Museum Kairo und im Petrie Museum in London zu sehen. Würde man die Teile zusammenstecken, würden sie aber nur rund 1/8 der ursprünglichen Größe ergeben. Auf dem Palermostein befinden sich auf beiden Seiten die Regierungszeiten der Pharaonen von der prädynastischen Zeit bis hin zur Regierung Neferirkares. Zudem sind dort wichtige Ereignisse verzeichnet sowie die Nilstandmessungen, die für das Eintreiben der Steuern wichtig waren.

Der Königspapyrus von Turin

Aus der Zeit Ramses II. stammt der nur noch fragmentarisch erhaltene Königspapyrus von Turin, der auf der Rückseite einer nicht mehr benötigten Abgabeliste geschrieben ist.

Er beginnt mit einer Aufzählung von mythologischen Figuren, die vor der 1. Dynastie regiert haben sollen und endet 1600 Jahre später in der 17. Dynastie. Neben den Regierungsjahren der Pharaonen, die teilweise sogar auf Monate und Tage genau aufgelistet sind, vermerkte der Schreiber bei einigen Pharaonen sogar ihr Alter. Große Teile des Königspapyrus sind heute leider zerstört.

Die Königslisten von Karnak und Abydos

In zwei Tempeln befinden sich antike Königslisten, die uns bei der Bestimmung einer Chronologie helfen.

Die Königsliste von Karnak

Thutmosis III. gibt seinen Vorfahren im Tempel von Karnak ein Opfer dar und listet zu diesem Zweck 61 seiner Vorgänger auf (außer seine direkte Vorgängerin Königin Hatschepsut). Das Relief befindet sich heute im Louvre Paris. Die Reihenfolge der Herrscher ist nicht zeitlich geordnet.

Die Königsliste von Abydos

Eine Chronologie findet sich aber in der Königsliste im Tempel von Abydos. Sethos I. opfert zusammen mit seinem Sohn Ramses II. 76 seiner Vorfahren, von der 1. Dynastie bis hin zu Sethos selbst. Ein Priester, der wahrscheinlich für das Totenopfer der verstorbenen Pharaonen zuständig war, ließ eine Kopie dieser Liste in seinem Grab einmeißeln. Hier finden sich 58 Herrscher, von Ramses II. an beginnend rückwärts bis hin zu den Königen der 1. Dynastie, wobei wegen Platzmangels im Grab die frühen Herrscher der 1. Dynastie fehlen.

Königsliste von Abydos
Sethos I. zeigt seinem Sohn Ramses II. die Liste seiner Vorfahren.
Tempel von Abydos
Neues Reich, 19. Dynastie

Nachteile der Königlisten

Die Königslisten sind den Ägyptologen eine große Hilfe, aber es ist unmöglich, mit ihnen eine umfassende Chronologie zu erstellen. Einige Pharaonen, besonders in den chaotischen Phasen der Zwischenzeiten, wurden einfach weggelassen. So verzeichnet z.B. die Königsliste von Abydos nicht die Herrscher der 1. Zwischenzeit aus Herakleopolis (das Land hatte zu dieser Zeit zwei Machzentren) und lässt die Könige der 2. Zwischenzeit gänzlich weg. Dafür listet sie 18 weitere Könige nach Pepi II. aus der 6. Dynastie auf, die im Turiner Königspapyrus fehlen.

Datierungen mit Hilfe archäologischer Funde

Vase aus der Ramessidenzeit
Luxor-Museum

Eine wichtige Quelle sind die Zählungen des ägyptischen Rinderbestandes, die seit Mitte der 2. Dynastie alle zwei Jahre von den Beamten durchgeführt wurden.

Wenn die Archäologen den Hinweis „Jahr des vierzehnten Mals der Zählung aller Ochsen und allen Kleinviehs“ aus der Zeit Pharaos Neferikare finden, können sie daraus schließen, dass der Pharao mindestens 28 Jahre regiert hat. Aber wie lange Neferikare tatsächlich regiert hat, wissen wir mit dieser Angabe immer noch nicht. Andere Quellen können datierte Denkmäler sein oder Weinkrüge, auf denen das Jahr des Abfüllens (= Regierungsjahr des jeweiligen Pharaos) datiert wurde.

Keramiken

Eine weitere wichtige Hilfe ist die Datierung nach Keramikfundstücken. Dazu werden andere Vergleichsstücke entweder aus Ägypten oder anderen Kulturkreisen genommen. Die Formen, die Gestaltung der Oberfläche und die Herstellungstechniken änderten sich im Laufe der Geschichte immer wieder (unser Geschirr von heute sieht auch anders aus als in den 60/70er Jahren). So kann eine, z.B. in einem Grab gefundene, Keramik auf bis zu 50 Jahre genau bestimmt werden.

Die C14-Methode (Radiocarbon – Methode)

Während seiner Lebenszeit nimmt ein Organismus (Menschen, Tiere, Pflanzen) über den Stoffwechsel stetig Kohlenstoff in sich auf, der sich in unserer Erdatmosphäre befindet.

Der Kohlenstoff setzt sich dabei sowohl in der Atmosphäre, als auch im Körper aus 3 Isotopen zusammen, dem stabilen C12 und C13 und dem instabilen, radioaktiven C14. Alle Isotope stehen immer in einem gleichbleibenden Verhältnis zueinander (auf 1 radioaktives C14 kommen 1,2 * 10^12 Teile an C12/C13)

Die Radioaktivität entsteht durch den Zerfall des instabilen C14 nach einer Halbwertszeit von 5730 Jahren (also in der Zeit sind die Hälfte aller vorhandenen C14-Isotope zerfallen), es kommt zur Bildung von Stickstoff unter Freisetzung von einem Elektron und beta-Strahlung, welche dann entsprechend gemessen werden kann.

Stirbt ein Organismus, kann kein neuer Kohlenstoff aufgenommen werden.

Während nun C14 bedingt durch den Zerfall im Laufe von Tausenden von Jahren an Gehalt abnimmt, verbleibt der Anteil an C12/C13 im Körper stabil. Die Relationen zueinander verändern sich also mit Zunahme der Zeit. Wenn die Forscher von einem Organismus wissen, wie viel Kohlenstoff sich zu Lebzeiten in ihm befinden, dann kann der Todeszeitpunkt mit neuesten Methoden auf 24-76 Jahre genau Jahre genau bestimmt werden. Dafür muss nur ein geringer Teil kohlenstoffhaltiger Substanz entnommen werden. Je nach Verfahren wird sie erst gereinigt und anschließend verbrannt. So kann die Menge der verbliebenen C14-Isotopen festgestellt und das Alter bestimmt werden.

Eine umfangreichen C14-Analyse – 2010 stellten Wissenschaftler ihre Ergebnisse aus einer umfangreichen C14-Analyse von über 200 Objekten vor. Sie enthielten den Namen des Pharaos und die Angabe seines Regierungsjahrs. Die Untersuchungen decken sich im Großen und Ganzen mit den aktuellen Chronologien. Nur das Alte Reich begann wahrscheinlich einige Jahre früher, nämlich zwischen 2691 – 2625 v. Chr. (in Hövelers Chronologie, die ich für meine Webseite verwendet habe: 2707 – 2202 v.Chr.). Das Mittlere Reich soll zwischen 2064 – 2019 (Höveler: 2057 v. Chr.), das Neue Reich zwischen 1570 – 1544 v. Chr. (Höveler: 1550 v. Chr) begründet worden sein.

Der Sirius – Astronomische Untersuchungen

Schon die alten Ägypter beobachteten genau, was am Himmel über ihnen vor sich ging. Eine besondere Beobachtung machten sie beim Sternbild des Sirius.

Die Göttin Sopdet war die Personifizierung des Hundssterns, den die Griechen Sirius nannten. Dem Mondkalender der alten Ägypter folgend, ging der Siriusstern am Morgen genau an dem Tag der Nilschwemme auf, nachdem er vorher 70 Tage lang unsichtbar gewesen war. Der „bürgerliche Kalender“ folgte nicht dem Siriusstern, sondern starr seiner 365-Tage-Regelung, in der die Erde sich einmal um die Sonne dreht.

Das Problem des Schaltjahrs

Durch das fehlende Schaltjahr alle 4 Jahre klaffte nun der Aufgang des Sirius und der Beginn des Neujahrstages des bürgerlichen Kalenders alle 4 Jahre einen Tag weiter auseinander. Alle 1460 Jahre trafen beide Ereignisse dann endlich wieder aufeinander. Wir wissen durch eine Münze des römischen Statthalters Antonius Pius, dass der Tag, an dem das Neujahrsfest zusammen mit dem morgendlichen Aufgang des Siriussterns lag, 139 n. Chr. stattfand. Also muss dieses besondere Ereignis auch 1321 v. Chr. und 2781 v. Chr. stattgefunden haben. Von diesen Zeitpunkten aus verschiebt sich der Aufgang des Sirius im bürgerlichen Kalender immer weiter nach hinten.

Wenn wir also im Papyrus Ebers lesen, dass der Aufgang des Sirius am 9. Tag des 3. Monats der 3. Jahreszeit im 9. Regierungsjahr Amenophis I. stattfand, können wir ausrechnen, dass ungefähr von dem Jahr 1541 v. Chr. die Rede sein muss. Seine Regierung würde nach diesen Berechnungen also 1550 v. Chr. anfangen.

Nachteile der Sirius-Berechnungen

Bei oben genannter Berechnung gibt es mehrere Unwägbarkeiten. Von welchem Standort aus stellte man 139 v. Chr. den Aufgang des Sirius-Sterns fest und in welcher Stadt in der Regierungszeit Amenophis I.? Der Aufgang vollzog sich nämlich mit mehreren Tagen Unterschied zwischen dem Süden und dem Norden Ägyptens. Wenn man noch einige astronomische Eigenarten in Betracht zieht (auf die hier nicht näher eingegangen werden soll), verschiebt sich der Zyklus ebenfalls um einige Jahre.

Forscher gehen mit neusten Berechnungen des Sirius-Zyklus heute davon aus, dass der Regierungsantritt Amenophis I. um 1525 v. Chr. stattgefunden hat. Bei anderen Pharaonen, bei denen der Sirius-Aufgang verzeichnet ist, lässt sich ebenfalls der Regierungsantritt ausrechnen. Dieses Ereignis stellt also eine wichtige Hilfe bei der Datierung, und somit der Erstellung einer Chronologie dar.

Eine genaue Chronologie der Pharaonen?

Obwohl es viele Quellen gibt, kann weder mit zeitgenössischen noch mit modernen wissenschaftlichen Methoden eine genaue Chronologie der Pharaonen erstellt werden.

Besonders die chaotischen Zustände während der drei Zwischenzeiten bereiten den Ägyptologen mangels Quellen Kopfzerbrechen. Bei den Königslisten und der Geschichte Manethos fehlen einige Könige, die aber immerhin durch archäologische Funde nachgewiesen werden konnten.

Fehlende archäologische Beweise

Dafür fehlen wiederum archäologische Beweise für einige Regierungszeiten, wie die von Sesostris II. Sie ist bei Manetho mit 19 Regierungsjahren angegeben, aber Funde verweisen nur bis zu seinem 10. Regierungsjahr. War Manetho wirklich genau bei seinen Recherchen bzw. hatte er genaue Quellen, auf die er zugreifen konnte? Immerhin lag zu seiner Zeit die Regierung Sesostris II. schon über 1500 Jahre zurück. Und nicht zuletzt könnte es sich auch einfach um einen Abschreibfehler handeln, denn das Original liegt uns nicht vor. Daher verlassen sich die Archäologen lieber auf ihre Fundstücke als auf die Berichte von antiken Zeitgenossen.

Könnte eine genaue Chronologie der Pharaonen gelingen?

Vielleicht wird es nie gelingen, eine genaue Chronologie der Pharaonen zu erstellen. Doch es besteht Hoffnung, denn wissenschaftlichen Methoden entwickeln sich weiter und werden immer genauer. Wir haben schätzungsweise erst 1/3 der antiken Schätze, die im Sand Ägyptens vergraben sind, gefunden. Auch wenn die neueren Chronologien schon ziemlich genau sein sollten, werden sich im Laufe der Zeit bestimmt noch Änderungen ergeben.