Die ägyptische Armee

Die alten Ägypter waren keinesfalls ein so kriegerisches Volk wie es z.B. die Römer waren. Die meisten Herrscher begnügten sich damit, durch pompöse Tempel- und Grabbauten im Gedächtnis der Menschen und Götter zu bleiben.

Die Geschichte des Militärs ist größtenteils aus dem Neuen Reich bekannt, als so berühmte Pharaonen wie Thutmosis III. oder Ramses II. große Schlachten schlugen und dies auch großspurig auf Stelen und Tempelwänden niederschrieben.

Soldaten im Tempel der Hatschepsut
Soldaten marschieren hinter ihrem Offizier
Tempel der Hatschepsut, Theben-West
Neues Reich, 18. Dynastie

„Lustig ist’s Soldatenleben…“

Das alte deutsche Volkslied trifft es nicht wirklich. Als Soldat hatte man zwar einige Privilegien z.B. gab es 12 Auroren Land für jeden Soldaten, und unter dem König Bokchoris durfte kein Wehrdienstleistender inhaftiert werden, aber ansonsten war das Soldatenleben eher mühsam. Ein Schultext warnt davor, sein Leben als Soldat zu verbringen.

Nacken so krumm „wie der eines Esels“

Eine Menge Ehrengold hängt um General Haremhabs Hals. Kein Wunder, dass er jubelnd die Arme in die Höhe streckt. Faksimilie im Grab des Haremhabs, Sakkara Original im Reichsmuseum Leiden Neues Reich, 18. Dynastie
Eine Menge Ehrengold hängt um General Haremhabs Hals. Kein Wunder, dass er jubelnd die Arme in die Höhe streckt.
Faksimile im Grab des Haremhab, Sakkara
Original im Reichsmuseum Leiden
Neues Reich, 18. Dynastie

Man müsse so viel Gepäck mit sich herumschleppen, dass der „Nacken so krumm ist, wie der eines Esels“. Dadurch erreiche der Soldat die Schlacht kraftlos wie ein „gerupfter Vogel“. Bei seiner Rückkehr sei er wie ein „Stück Holz, das der Wurm angefressen hat“. In Ägypten und Umgebung herrschten damals wie heute Temperaturen über 40 Grad. Mit schweren Waffen und Gepäck auf dem Rücken war das Marschieren sicherlich kein Vergnügen. Als Entschädigung gab man ihnen einen Anteil an der Kriegsbeute und ehrte sie mit Tapferkeitsmedaillen.

Besser hatten es da die Offiziere, die ein hohes Ansehen in Ägypten genossen. Sie wurden vom Pharao mit Ehrungen und Gold überschüttet und besaßen große Ländereien. Viele von ihnen strebten die Beamtenlaufbahn an. Einige wurden so mächtig, dass sie sich (mit ihrer schlagkräftigen Armee im Rücken) sogar zum Pharao krönen lassen konnten. Die beiden bekanntesten Herrscher mit dieser Karriere sind Haremhab und Ramses I.
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Bunte Mischung aus Soldaten

Die ägyptische Armee bestand hauptsächlich aus Berufssoldaten, die auf Garnisonen in Ober- und Unterägypten, Asien und Nubien verteilt waren. Die Armee war eine bunte Mischung aus Soldaten vieler verschiedener Länder, wie z.B. Nubien, Libyen und den Seevölkern. Sie stellten sogar den Großteil der Armee.

1900 ägyptische Soldaten – 3100 Söldner

Schreiber zählt die abgehackten Hände von Feinden
Nach einer erfolgreichen Schlacht hackten die ägyptischen Soldaten ihren besiegten Feinden eine Hand (und den Phallus) ab. So konnte die Anzahl der getöteten Gegner bestimmt und angemessene Belohnungen und Beförderungen an die Soldaten verteilt werden.
Tempel Ramses II., Abydos
19. Dynastie, Neues Reich

Eine Division zur Zeit der Ramessiden bestand aus 1900 ägyptischen Soldaten und 3100 Söldnern. Die Berufssoldaten aus fremden Ländern wurden anscheinend so gut entlohnt, dass sie keine Probleme damit hatten, sogar ihr eigenes Land anzugreifen. Die Quittung für die Übermacht von ausländischen Soldaten, bekamen die Ägypter in der 22. Dynastie, als sich ein Befehlshaber libyscher Söldner mit dem Namen Scheschonq zum Pharao ausriefen ließ.

Der Oberbefehlshaber einer Armee war natürlich der Pharao. Dagegen war der Wesir für die Rekrutierung, Ausbildung und Versorgung der Truppen verantwortlich, delegierte diese Aufgabe aber wahrscheinlich an den jeweiligen „Großen General“, der die ägyptische Armee anführte. Die Größe einer Armee variierte im Laufe der Jahrhunderte. In der Spätzeit brachte sie es immerhin auf 410 000 Mann.

Die Infanterie

Zur Zeit des großen Ramses II. bestand die ägyptische Infanterie aus vier Divisionen zu je 5000 Mann. Die Ägypter benannten sie nach ihren Göttern Amun, Re, Ptah und Seth. Befehlshaber einer Division war der Hauptmann. Diese Divisionen wurden in Kompanien zu je 200 Mann unterteilt, die noch mal aus Gruppen zu je 50 Mann bestanden. Kompanien wurden von einem General befehligt.

Bogenschützen, dahinter Soldaten einer ägyptischen Armee
Bogenschützen einer ägyptischen Armee, die mit angespanntem Bogen auf Feinde schießen. Dahinter Soldaten mit großen Schilden, Speeren und Schwertern. Im oberen Register sieht man noch Pharaos Füße, wie sie Gesicht und Füße eines Gegners zertrampeln.
Tempel von Medinet Habu, Theben West
Neues Reich, 20. Dynastie
Zeremonielle Streitaxt von Ahmose
Neues Reich, 18. Dynastie
Luxor-Museum

Waffen der Infanterie

Die Infanterie bestand aus Bogenschützen, Speerträgern, Schwertträgern, Keulen-trägern, Schleuderträgern und anderen „-trägern“. Zur Kennzeichnung besaß jede Kompanie eine eigene Standarte, die ein Emblem, z.B. ein heiliges Artefakt, ein Tier, ein Boot oder den Namen des jeweiligen Pharaos trug. Die Nahkampfwaffen der Infanterie waren hauptsächlich Dolche und kurze Krummsäbel.

Als Fernkampfwaffen benutzten die Ägypter Wurfspeere, Schleudern sowie Pfeil und Bogen. Die Bogenschützen waren eine vom Gegner gefürchtete Einheit. Sie besaßen eine große Durchschlagskraft und hatten eine hohe Reichweite. Die Bögen waren aus einfachem Holz oder stabilerem Horn und waren mit Tiersehnen bespannt.

Der Rüstungsschutz war eher mäßig. Die einfachen Soldaten trugen gepolsterte Kappen und ovale Schilde aus Tierhäuten.

Langbögen
Die Langbögen kamen auf eine Reichweite von unglaublichen 500 Metern. Die Speerwerfer trugen bis zu 1,83m lange Waffen.

Streitwagen im Grab des Haremhab
Eine typische Streitwagen-Besatzung bestand aus zwei Soldaten. Einer lenkte und einer streckte die Feinde nieder.
Grab des Haremhab, Sakkara
Neues Reich, 18. Dynastie

Die ägyptischen Streitwagen

Zu Beginn des Neuen Reiches erfuhr das Militärwesen eine weitreichende Änderung, welche die Ägypter von ihren Feinden, den Hyksos, übernommen hatten. Jene waren in Ägypten mit mächtigen Streitwagen und Pferden eingefallen, die in Ägypten bis zu dieser Zeit völlig unbekannt waren.

Eine der wenigen Darstellungen eines Reiters befindet sich an der Außenmauer des Luxor-Tempels. Die alten Ägypter bevorzugten den Streitwagen. Neues Reich, 19. Dynastie
Eine der wenigen Darstellungen eines Reiters befindet sich an der Außenmauer des Luxor-Tempels. Die alten Ägypter bevorzugten den Streitwagen.
Neues Reich, 19. Dynastie

Als die Hyksos nach jahrelanger Herrschaft endlich wieder aus Ägypten vertrieben werden konnten, übernahmen die Ägypter diese Streitwagentechnik und gründeten eine eigene Pferdezucht. Sie bauten leichte und wendige Wagen, die jeweils mit einem Lenker und einem Kämpfer besetzt und von zwei Pferden gezogen wurden.

Die Kämpfer waren mit Bögen und Pfeilen ausgestattet, die in einem Lederköcher am Wagen steckten. Weitere Waffen waren Lanzen mit Bronzespitzen sowie Sichelschwerter, die man von asiatischen Soldaten übernommen hatte. Für den Schutz wurden Schilde aus Holz mit bronzenem Buckel sowie Helme und Lederpanzer mit Bronzeschuppen benutzt.

25 Streitwagen bildeten eine Schwadron, die in 5 taktische Einheiten zu je 5 Streitwagen unterteilt waren.

Ob es in einer Schlacht auch Reiter gab, ist umstritten. Es gibt zwar Abbildungen, die Soldaten auf einem Pferd zeigen, aber das war wohl eher die Ausnahme.

In einer ägyptischen Festung

Die Festungen waren Truppenstützpunkt, Handelszentrum und Zollstation zugleich. Der Festungskommandant genoss hohes Ansehen und war für den Nachschub der Truppen verantwortlich.

Die Festung von Daphnae

Ein gutes Beispiel einer ägyptischen Festung befindet sich in Daphnae, am östlichen Rand des Nildeltas. Hier fanden Archäologen 2009 eine Anlage, die unter Psammetich I. mit einem Durchmesser von 380x625m erbaut wurde. Die Mauern waren bis zu 13m dick.

Die Festung bestand aus drei ineinanderfolgenden Hallen, einem Tempel aus Kalkstein und sogar einem kleinen Palast mit acht kleinen Räumen. In der Nähe der Festung standen 22 große Speichergebäude, in denen Ernteerträge und Waffen gelagert wurden.

Sturm auf die gegnerische Festung

Um Festungen oder befestigte Städte von Feinden zu besiegen, mussten die alten Ägypter Durchhaltevermögen beweisen. Die Taktik bestand meistens darin, sie so lange zu belagern, bis sich der Feind ausgehungert ergab. Das konnte sich auch schon mal über Monate hinziehen. Wenn es schneller gehen sollte, bestürmten die ägyptischen Soldaten eine Festung. Bogenschützen gaben den Soldaten Deckung, die mit Schilden versuchten, sich vor dem Pfeilhagel und den Schlägen der Feinde zu schützen.

Mit Hilfe von Leitern versuchten die Soldaten, über die Mauern in die Festung zu gelangen. Belagerungstürme und Rammböcke schauten sich die Ägypter erst in der Spätzeit von den Asiaten ab.

Die schwierige Versorgung der Truppen

Nicht einfach gestaltete sich die Versorgung der Truppen durch die östliche Wüste.

Die Ägypter konnten entweder

  • im Eilmarsch durch die Wüste mit ihren wenigen Wasserstellen eilen.
  • den bequemen aber langen Weg entlang der Küstenstraße marschieren, oder
  • über den Seeweg fahren, wobei hier die begrenzten nautischen Fähigkeiten der Ägypter ein Nachteil war.

Für die Truppenversorgung waren die zwei Heeresstellvertreter, etliche Armeeschreiber und Verwaltungsbeamte zuständig. Weil es in der Wüste wenig Wasserstellen und Nahrung gab, war die Menge der benötigten Versorgungsgüter dort besonders groß.

Über den Seeweg

Die Ägypter versuchten daher, möglichst viel Nachschub auf Nilschiffen in die Nähe der Truppen zu bringen, um sie dann mit Eseln und Maultieren weiter zu transportieren. Natürlich war die Gefahr groß, dass die Schiffe angegriffen wurden und so musste eine große Anzahl an Schutztruppen die Schiffe begleiten.

Über den Landweg

Auch der Transport über den Landweg war nicht ohne Gefahr. Verständlich, dass die Ägypter mit aller Macht versuchten, ihre Stützpunkte in Syrien zu verteidigen, denn dadurch war der Weg zu den einzelnen Truppen- bzw. Angriffszielen leichter abzusichern.