Vor vielen hundert Jahren, als die Medizin noch in ihren Kinderschuhen steckte, mussten die Menschen mit dem auskommen, was ihnen die Natur zu bieten hatte. Ein Heilmittel war das natürlich vorkommende Bitumen (schwarzes Erdpech) (persisch: „Mumie“), das für allerlei Krankheiten verwendet wurde.
Diese Medizin war in der Herstellung sehr aufwendig, zudem schwierig zu beschaffen, und daher sündhaft teuer. Eine andere, vor allem billigere Lösung musste her. So kam jemand im 13. Jahrhundert auf die Idee, das schwarze Erdpech aus den Körpern von Mumien zu entnehmen und als Allerheilmittel unter dem Namen „Mumia“ zu verkaufen.
Das Wundermittel und seine Nebenwirkungen
Die Herstellung von Mumia war sehr aufwendig und es dauerte seine Zeit, das kostbare Erdpech aus den Mumien herauszukratzen. Also kam ausgerechnet der Wegbereiter der modernen Medizin, Paracelsus (1493 – 1541), auf die abstruse Idee, aus kompletten Mumien eine Medizin für allerlei Gebrechen herzustellen. Gegen Epilepsie, Paralyse, Blutergüsse, Tuberkulose, Vergiftungen, Herzattacken und Übelkeit sollte diese Arznei helfen.
Gerade die letzten beiden Punkte schienen die Mumien aber eher auszulösen als zu heilen, denn der französische Hofchirurg Ambroise Paré (1510 – 1590) bemängelte, dass die Mumien „Herz- und Magenbeschwerden, Erbrechen sowie Gestank aus dem Mund“1 fördern würden. Doch kaum einer scherte sich darum und auch aus ethischer Sicht kamen für diese Form des Kannibalismus keine Einwände. So florierte das Geschäft mit den Mumien. Manche kamen gar auf die Idee, frische Leichen auszutrocknen und sie pulverisiert gegen viel Geld an gutgläubige Leute zu verkaufen.
Mumia – der Exportschlager
Im Glauben an die Wirksamkeit des Stoffes fuhren etliche Schiffe mit Mumien als Fracht von Alexandria nach Europa. Die Muslime in Ägypten protestierten, da ihre Vorfahren von den „heidnischen“ Christen gegessen wurden, doch der Widerstand verhallte ungehört. Jede Apotheke in Deutschland hatte mindestens ein Fläschchen Mumia in ihrem Sortiment. Noch im Jahr 1924 verkaufte das Darmstädter Pharmawerk E.Merck „Mumia vera Aegyptica“ für 12 Goldmark das Stück. In späterer Zeit nahm man aber davon Abstand, komplette Mumien zu zerbröseln. Spätestens ab dem 19. Jh. bestand Mumia aus einer Masse aus Erdpech oder Harz. Angeblich wurden dafür Mumien der Sonne ausgesetzt, bis die Hitze die beiden Inhaltsstoffe aus der Mumie herausfließen ließ.
Verkaufsschlager Mumienbinden
Neben den Körpern der Mumien fand man auch für deren Leinenbinden recht schnell einen passenden Absatzmarkt. Als in Amerika die Lumpen für die Papierherstellung nicht mehr ausreichten, ließ man sich einfach ein paar Mumien aus Ägypten kommen. Die Verkaufsidee schien sich auf den ersten Blick zu lohnen: Die Mumie des Oberhofmeisters Wah hatte alleine 375 Quadratmeter Leinenstoff vorzuzeigen. Auf den zweiten Blick ließ aber leider die Qualität des braunen Papiers sehr zu wünschen übrig. Und so stellten die Amerikaner den Import recht schnell wieder ein.