Schöne Bilder, schöne Zeichen – Eine Bilderschrift?
Wer das Thema zur Entschlüsselung der Schrift gelesen hat, kann diese Frage sofort mit Nein beantworten. Die ägyptischen Hieroglyphen waren um einiges komplexer.
Ideogramm, Phonogramm und Determinativ
Hieroglyphen konnten folgendes sein:
- ein Ideogramm (die Hieroglyphe heißt genau das, was sie darstellt) Bsp.:
heißt Mund (Ideogramme erkennt man häufig an einem Strich unter der Hieroglyphe)
- ein Phonogramm (ein Zeichen, das für einen Laut bzw. einen Buchstaben steht) Bsp:
steht für den Laut pr. Das Haus oben steht für den Laut pr, der Mund für r und wird zur Verdeutlichung noch zusätzlich geschrieben
- ein Determinativ (nicht gesprochenes Deut- oder Zusatzzeichen) Bsp.:
die schreitenden Beine betonen, dass es sich um ein Wort mit Bewegung handelt, hier das Wort pr(j) „herausgehen“
Tanzen!
Dieses Wort heißt tanzen. Die ersten drei Hieroglyphen sind Phonogramme und stehen für die Laute jhb; der tanzende Mann ist ein Determinativ.
Jede ägyptische Hieroglyphe konnte im Prinzip eine von den drei Bedeutungen haben. So einfach haben es sich die alten Ägypter aber nicht gemacht. Einige traten hauptsächlich als Ideogramme und Phonogramme auf, andere wiederum wurden hauptsächlich als Determinative verwendet.
Wie haben die Ägypter geschrieben? Ohne Konsonanten – ohne Satzzeichen
Hieroglyphen lesen ist leider nicht gerade einfach, wie einige Studenten und Hobby-Ägyptologen schon leidvoll erfahren mussten. Keine Vokale, keine Satzzeichen, keine strengen Rechtschreibregeln und eine komplexe Grammatik macht das Erlernen der altägyptischen Schrift zu einem schwierigen Unterfangen.
Das Problem der ägyptischen Hieroglyphen – Wie liest man nur in Konsonanten?
Die alten Ägypter hatten kein Alphabet wie wir. Sie haben nur in Konsonanten geschrieben. Und da Wörter aus zusammengesetzten Konsonanten etwas seltsam klingen, setzen die Ägyptologen zwischen den Konsonanten einfach ein „e“, zum Wohle eines besseren Klangs.

Beispiel
Diese Hieroglyphe stellt das Herz mit der Luft- oder Speiseröhre dar und steht für den Laut nfr. Die Ägyptologen sprechen die Hieroglyphe nefer aus. Nefer bedeutet gut, schön.
Ausnahmen: Götter- und Pharaonennamen
Bei Götter- und Pharaonennamen behalf man sich des Öfteren nicht einfach mit dem Vokal e oder oder sie wurden sogar komplett anders ausgesprochen als im altägyptischen geschrieben. Bei vielen Göttern und Pharaonen haben wir den griechischen oder den koptischen Namen übernommen.
Das Problem unserer Sprache – Zu wenig Konsonanten
Unsere Sprache besitzt vergleichsweise nur wenige Konsonanten, daher müssen wir uns bei einigen Hieroglyphen etwas behelfen.
Beispiel:

Diesen Geier sprechen wir mit einem abgehacktem a aus. Ein a? War vorhin nicht die Rede davon, dass die alten Ägypter gar keine Vokale in ihren Hieroglyphen benutzten? Dem ist auch so, denn dieses a ist kein Vokal, sondern nennt man Aleph. Genauso verhält es sich bei den Lauten o, u und i, die alles keine Vokale in unserem heutigen Sinne sind.
Keine Satzzeichen
In der altägyptischen Schrift gab es weder Satzzeichen noch Leerzeichen. Auf den ersten Blick sieht der Leser nicht, wann ein Wort anfängt und aufhört und zu allem Übel weiß man ebenfalls nicht, ob ein Satz schon zu Ende ist oder ob schon ein neuer angefangen hat. Das zu erkennen, braucht viel Übung. Aberwirkönnenjaauchdiesensatzlesendawirdiedeutschesprachegutbeherrschen. Interessierte, die sich schon sehr lange mit den ägyptischen Hieroglyphen beschäftigen, haben damit also keine Probleme mehr.
Wie die Ägypter gesprochen haben
Die Ägyptologen behelfen sich beim Lesen der Hieroglyphen mit einem von ihnen entwickelten Transkriptionssystem (Umschrift, siehe „Das Hieroglyphen-Alphabet„). Doch wie haben die alten Ägypter gesprochen? Die Ägyptologen versuchen, mit Hilfe des Koptischen (Kopten sind die christlichen Nachfahren der Ägypter) der altägyptischen Sprache auf die Spur zu kommen. So fanden sie beispielsweise heraus, dass der Name Amun wahrscheinlich Amanaw (weicher Stimmeinsatz am Anfang, das w als Halbvokal wie beim englischen water) ausgesprochen wurde. Letztendlich werden wir aber wahrscheinlich nie ganz genau wissen, wie die Ägypter gesprochen haben.
Ein Wort – viele Varianten
Die alten Ägypter mussten zwar jede Menge Hieroglyphen auswendig lernen, dafür hatten sie mit Rechtschreibung nicht viel am Hut. Die altägyptische Schrift war in keinem Wörterbuch zusammengefasst, wie bei uns der Duden. Es gab keine Regeln, wie welches Wort geschrieben sein musste.
Beispiel:

Nehmen wir noch mal das „schöne“ Wort nfr. Die Ägypter konnten eine einzelne Hieroglyphe wie die links nehmen oder oder sie konnten noch die beiden Hieroglyphen für die Laute f (Viper) und r (Mund) mit hinzuschreiben:

Letztendlich war es Sache des Schreibers. Er konnte selbst entscheiden, welche Form er benutzte. War genügend Platz, um das Wort nefer wie beim letzten Beispiel aufzuschreiben? Was passte besser zum optischen Gesamtbild?
Weiteres Beispiel:
Links seht ihr zwei Namens-Varianten der Göttin Selket.

Die Variante 1 ist die grammatikalisch richtige Variante (als kausativ, übersetzt heißt Selket mit vollem Namen die, die Kehlen atmen lässt“ (srq.t Hty.t)). Angehängt an ihren Namen befindet sich der Skorpion als Determinativ. Die vollständigen Hieroglyphen wurden gerne dort geschrieben, wo das Schriftbild viel Platz zuließ. Wenn wenig Platz vorhanden war, es mal schneller gehen musste oder die Schrift in Spalten stand, wählte der antike Schreiber gerne mal die Variante 2. Der Anfangsbuchstabe wurde durch eine andere Hieroglyphe für den Laut „s“ ersetzt. Zudem wurde der Skorpin weggelassen. Natürlich konnte aber auch der Skorpion hinter der 2. Variante gesetzt werden (oder eine Schlange, oder ein Ei und eine Schlange).
(Wer vorhin bei dem Wort nefer gut aufgepasst hat, wird hier erkennen, dass der Name Selket eigentlich Serket (oder eigentlich richtig: Serqet) geschrieben sein müsste. Die Mund-Hieroglyphe steht für den Laut „r“. Wir haben Selket von ihrem griechischen Namen Selkis abgeleitet. Die alten Ägypter haben die Göttin vielleicht Sulkat ausgesprochen.
Richtig war, was gut aussah
Die Ägypter kannten in dieser Beziehung nur eine Regel: Richtig war, was gut aussah. Bei manchen Wörtern gingen die Ägypter sogar so weit, dass sie eine Hieroglyphe einfach weggelassen haben, nur damit sie das Wort in hübsche Blöcke setzen konnten.
Hieroglyphen in Blöcke setzen
Die Ägypter haben, wie oben bereits erwähnt, folgerichtig ihre Hieroglyphen nicht einfach nur hintereinandergeschrieben, sondern sie in hübsche Blöcke gesetzt. Man unterscheidet hier zwischen
- hohen Hieroglyphen: wie
oder
- flachen Hieroglyphen: wie
oder
- kleinen Hieroglyphen: wie
Die hohen Hieroglyphen standen für sich selbst, die flachen und kleinen Hieroglyphen wurden in Blöcke verpackt. Ausnahmen gab es natürlich auch hier, denn letztendlich war natürlich wieder das Optische ausschlaggebender als eine Regel.
Lese- und Schreibrichtung
Von links nach rechts, rechts nach links, oben nach unten
Wenn die Hieroglyphen in Blöcken zusammengefasst sind, liest man sie vom Anfang zum Ende und von oben nach unten.

Ihre Texte schrieben die Ägypter nicht nur von links nach rechts, wie wir. Sondern die Hieroglyphen konnten auch von rechts nach links geschrieben bzw. gelesen werden. Und das nicht nur horizontal, sondern auch vertikal. Dies ist aber nicht weiter schwierig zu erkennen, denn man muss einfach nur darauf achten in welche Richtung die von der Seite abgebildeten Hieroglyphen blicken.

werden von links nach rechts gelesen. (die Richtung, in die der Grabherr blickt)
Besonders gut erkennbar an den Vögeln, die nach links blicken

Kolumnen helfen uns zu erkennen, ob der Text horizontal oder vertikal verfasst wurde. Ausschlaggebend für die Blickrichtung der Hieroglyphen, war die Blickrichtung von abgebildeten Personen oder Götter. Wenn ein Grabherr also nach rechts schaute, dann ließ man die Hieroglyphen dementsprechend auch nach rechts schaun, las also von rechts nach links. Ob die Hieroglyphen nun vertikal oder horizontal geschrieben wurden, war Geschmackssache des Schreibers und Künstlers.