Für die Ägypter war der Tod erst der Anfang. Der Tod war das Ende eines begrenzten Lebens und der Neubeginn eines ewigen Daseins. „Du stirbst, dass du lebst“, so verlautete ein Text über das Leben nach dem Tod.
Der Weg zu einem ewigen Leben war allerdings nicht einfach. Nach dem Tod entflohen die „Seelen“ („Elemente“ würde es eigentlich besser treffen, aber dem Verständnis halber soll auch weiterhin von Seelen gesprochen werden) Ba und Ka aus dem Körper. Nur durch Rituale konnten sie dazu bewegt werden, wieder in den Körper zurückzukehren.
Von da an begann eine gefährliche Reise durch die Unterwelt, die der Verstorbene meistern musste, bis er vor dem Totengericht des Osiris stand. Ihn musste man davon überzeugen, ein rechtschaffenes Leben geführt zu haben. Erst dann konnte der Verstorbene in einem glücklichen, beseelten Zustand in den Iaru-Gefilden der Unterwelt leben. Er war nun ein Verklärter, ein vergöttlichtes Ach-Wesen, der den Göttern ins Antlitz schauen durfte.
Die Aufgaben der Seelen Ka und Ba
Am Tage lag der tote Körper in seinem Grab. Sein Ka empfing die Totenopfer, die von den Lebenden bereitgestellt wurden. Seine Ba-Seele flog mit dem Sonnengott Re über das Firmament. In der Nacht, wenn der Sonnengott in seiner Barke die Unterwelt erleuchtete, vereinigten sich die Seelen wieder mit dem Körper – vorausgesetzt, er hatte eine gute Mumifizierung genossen, so dass der Verwesungsprozess aussetzte und sie ihren Körper wiedererkennen konnten.
Seelenvorstellungen – Die acht Elemente
Die Seelenvorstellungen der alten Ägypter sind ein wenig komplizierter als die unseren. Sie glaubten gleich an sechs Elemente, die den Menschen von Geburt an und nach dem Tod begleiteten. Hinzu kommen noch zwei Bezeichnungen für den Körper zu Lebzeiten und einen Namen für den Körper nach dem Tod.
Ka
Der Ka spendete sowohl im Diesseits als auch im Jenseits Lebenskraft und Nahrung. Nach dem Tod kehrte der Ka immer wieder in das Grab zurück. Dort ernährte er sich von den Opfergaben der Lebenden. Die Hieroglyphe für den Ka sind zwei erhobene Arme.
Ba
Vergleichbar mit unserer Seele – nach dem Tod flog der Ba in den Himmel, um dort bei den Göttern zu wohnen und die Sonnenbarke des Re auf ihrer Tag- und Nachtreise zu begleiten. Wenn die Sonnenbarke in der Nacht durch das Jenseits fuhr, vereinigte er sich mit seinem Körper, damit er wieder auferstehen konnte. Der Ba wird als Vogel mit Menschenkopf oder als Widder dargestellt.
Ach
Nach seiner Wiederauferstehung wandelte der Tote als göttliches Ach-Wesen (die Ägyptologen sagen auch Verklärter, d.h. der Tote ist in einem glücklichen, beseelten Zustand) in der Unterwelt. Magische Fähigkeiten wurden ihm zugeschrieben. Der Ach entfaltete seine Macht und Lebensfähigkeit hauptsächlich im Jenseits, konnte aber auch als „Gespenst“ die Lebenden besuchen. Der Ach wird als Ibis mit Schopf dargestellt.
Schut
Der Schatten – War zwar in ständiger Begleitung des Menschen, existierte aber in einer anderen Sphäre. Als Schatten blieb er auch nach dem Tod an dem Körper gebunden.
Chet
Körper, in der alle Seelen während des Lebens wohnten
Sah
Nach dem Tod verwandelte sich der chet in den sah, vorausgesetzt er wurde gut mumifiziert. Wieder diente er als Wohnstätte für die Seelen.
Ib
Das Herz – Sitz des Fühlens und Denkens.
Ren
Der Name – ohne ihn konnte der Tote nicht identifiziert werden. Ohne das Aussprechen des Namens erreichten die Kultrituale und magische Formeln, die mit ein Garant für das ewige Leben waren, nicht den entsprechenden Empfänger.
Wenn ein Element stirbt – Der entgültige Tod
Wenn eines dieser Elemente nach dem Tod ausgelöscht wurde, z.B. durch Vernichtung des geschriebenen Namens oder wenn ein Grabräuber die Mumie des Grabherrn zerstörte, starb er den zweiten und endgültigen Tod.
Ebenso zum endgültigen Tod verurteilt waren die Verstorbenen, wenn sie die Gefahren, die während ihrer Reise durch die Unterwelt auf sie lauerten, nicht heil überstanden. Wenn sie vor dem Totengericht des Osiris versagten, fraß ein Monster ihr Herz (ib) auf und der Verstorbene kam in die Verdammnis, wo er gepeinigt und gefoltert wurde.
Kein Wunder also, dass die Ägypter sich mit allerlei Hilfsmitteln für ihr Leben nach dem Tod ausrüsteten. Ein so genanntes → Totenbuch sollte als Wegweiser für eine sichere Fahrt durch die Unterwelt dienen. Götter breiteten ihre Arme schützend um die Sarkophage aus und bewachten die Kanopen – die Behälter in welchen man die Eingeweide legte. Schutzbringende Amulette legte man den Toten zwischen die Mumienbinden.
Doch auch, wenn der Verstorbene die Reise durch die Unterwelt ohne Schaden überstand, musste weiter für ihn gesorgt sein. Denn nur mit magischen Texten, Ritualen und Kultopfern konnten seine Seelen in den Körper zurückkehren und er immer wieder auferstehen und als vergöttlichtes Ach-Wesen ein Leben im Reich des Gottes Osiris genießen, der ebenfalls den Tod überwunden hatte (→ Der Osiris-Mythos).