Hauptschlagader Ägyptens
Im alten Ägypten nannte man den Nil schlicht und einfach “großer Fluss” (iteru aa). Manchmal liest man auch den Namen “Hapi”, denn der Gott Hapi war die Inkarnation des Nils. Zu ihm beteten die Menschen für eine gute Überschwemmung und somit für eine reiche Ernte. Den heutigen Namen haben wir von den alten Griechen übernommen, die dem Fluss den Namen “Neilos” gaben.
Amazonas oder Nil?
Die Spitzenposition wird dem Nil allerdings vom Amazonas streitig gemacht, dessen Länge umstritten ist und mal mit 6.400 km, mal mit 6.800 km angegeben wird.
Ursprung und Lauf des Nils
Der Nil ist mit 6.741 km der längste Fluss der Erde. Er entspringt aus dem Blauen Nil, im ostafrikanischen Hochland, und dem Weißen Nil im Südsudan. Dort prasseln jedes Jahr heftige Niederschläge nieder, die für den Wasserstand des Flusses ausschlaggebend sind. Die alten Ägypter wussten noch nicht, wo der Ursprung ist. Nach ihrem Glauben entsprang der Nil aus dem Nun, dem Urgewässer, aus dem die Welt entstand und das die gesamte Erde umschließt. Und in einem ewigen Kreislauf fließt er auch dorthin zurück, so glaubte man.
Der Nil teilt das Land in zwei Abschnitte: in das Niltal, Oberägypten, und das Nildelta, Unterägypten, wo er sich in mehrere Nebenflüsse spaltet.

Der Nil versorgte die Bevölkerung auch mit vielerlei Arten von Fischen
Fischer im Grab des Kagemni, Sakkara
Altes Reich, 6. Dynastie
“Ägypten ist ein Geschenk des Nils”

Nilometer auf der Insel Elephantine. Anhand der Striche konnten die Ägypter den Pegelstand des Nils messen
Dieser berühmte Ausspruch stammt vom griechischen Historiker Herodot, und er hatte Recht damit. Das Land war abhängig vom Nil. Im Idealfall stieg der Nil zwischen Juni und Oktober so weit an, dass er über die Ufer trat und dadurch fruchtbaren Schlamm auf die Felder spülte. Eine reichhaltige Ernte war die Folge. War der Wasserstand jedoch zu niedrig oder ging das Hochwasser zu schnell zurück, fiel die Ernte entsprechend gering aus. Wenn der Nil dagegen zu schnell anstieg oder sich nicht früh genug für die Aussaat zurückzog, waren Schäden an Dörfern und Feldern die Folge.
Der Wasserstand des Nils wurde an mindestens 20 Nilometern gemessen. Einer war auf der Insel Elephantine, wo er auch heute noch zu sehen ist. Bei der Markierung von 16 Ellen erreichte der Fluss seinen Idealstand.

Dieses Relief befand sich einst am Aufweg der Unas-Pyramide und zeigt hungernde und abgemagerte Beduinen
Imhotep Museum Sakkara
Altes Reich, 5. Dynastie
Hungersnöte und Katastrophen
Wenn die Nilüberschwemmung nicht ausreichend war oder ganz ausblieb, hatte das schlimme Folgen. Das Land versank in einer schrecklichen Hungersnot und Seuchen und Aufstände konnten ausbrechen. Ein Text aus dem Alten Reich enthält Anspielungen auf Massensterben, verwesende Leichname, Plünderungen, Selbstmorde und sogar KannibalismusUm nicht völlig abhängig von den Launen des Nils zu sein, verstärkten die Bauern natürliche Deiche zu Dammanlagen. Künstliche Kanäle und Becken beförderten Niedrigwasser zu den Feldern und Hochwasser weit ins Tal hinein..
In manchen Zeiten fiel die Überschwemmung des Nils sogar mehrere Jahre aus. Da es in Ägypten selten regnet, trockneten einige Flussarme komplett aus. Schiffe schafften es kaum noch oder gar nicht mehr durch das schlammige Nass des Nils.

Der Nilgott Hapi sitzt unter dem Felsen des 1. Katarakts. Aus seinen Gefäßen strömt das Wasser des Nils
Tempel von Philae
2. Jh. n. Chr.
Katarakte
Katarakte hießen die Gebiete der Stromschnellen im südlichen, nubischen Teil des Nils. Zwischen Assuan und Khartum gab es insgesamt sechs Katarakte, bei denen sich das, im Vergleich zum weichen Sedimentgestein, wesentlich härtere Urgestein der Kontinentalplatte (Granit) dem Nil entgegenstellte. Durch diese Hindernisse wurde die Strömung sehr schnell, und so erklärt sich auch der griechische Ausdruck Katarakt, der so viel wie Wasserfall bedeutet. Der 1. Katarakt lag bei Assuan. Er war schon seit frühester Zeit die natürliche Grenze zwischen Ägypten und Nubien.
Die Hauptverkehrsader Ägyptens
Der Nil war die Hauptverkehrsader Ägyptens. Vieh, Korn, Steine für Bauten und andere Güter, sowie Personen und Soldaten wurden auf Fracht- und Personenschiffen über den Nil transportiert. Das Schiff hatte eine so große Bedeutung, dass die Ägypter sogar das Rad, das erst mit den Hyksos nach Ägypten kam, als Transportmittel zunächst ignorierten. Auch der Esel war nur zweite Wahl, denn die Fahrt per Schiff war einfach der schnellste Weg.
Schneller reisen
Sicher reisen
Um die Schiffswege zu verbessern, wurden sogar künstliche Kanäle angelegt. Schon in der 6. Dynastie wurde am 1. Katarakt ein Kanal ausgehoben, der das Passieren der Stromschnellen erleichtern sollte.


Ein Schiff mit umgelegtem Mast war die Hieroglyphe für “nordwärts”, eins mit gehisstem Segel für “südwärts”