Der goldene Pharao Tutanchamun

Nach der Entdeckung des Grabes von Tutanchamun am 04. November 1922 erreichte die Ägyptomanie in der westlichen Welt einen neuen Höhepunkt. Die britische Times hatte einen Exklusiv-Vertrag mit dem Entdecker Howard Carter und seinem Mäzen Lord Carnarvon (beides Engländer) geschlossen, der nur ihr erlaubte, über das Grab zu berichten. Angeheizt durch die ausführliche Berichterstattung der Times, grassierte eine unglaubliche Tutmanie in England.

Wahre Pilgerströme reisten nach Ägypten, um einen Blick in das Grab zu erhaschen – nicht unbedingt aus wissenschaftlichem Interesse, sondern eher nach dem Motto „Dabei sein ist alles!“. Die Touristen saßen in Scharen um das Grab herum und feierten kleine „Gartenpartys“ wie Howard Carter diese Zusammenkünfte kopfschüttelnd nannte. Sie unterhielten sich, aßen, strickten,… und warteten darauf, dass die Archäologen wieder ein neues Objekt zum Restaurieren und Archivieren aus dem Grab brachten. Diese wurden nämlich, zur Freude aller Voyeure, unverhüllt aus den Kammern ans Tageslicht geholt.

Viel Geld fließt nun – Dank Tutankhamun

Die Reisebranche in England verdiente sich zu dieser Zeit eine goldenen Nase, denn die englische High Society reiste in Scharen nach Ägypten. Für Umsatz sorgten auch die ersten Merchandising-Artikel, wie Krawatten und Handschuhe, die schon kurze Zeit nach der Öffnung des Grabes in den Regalen der Händler standen.

Während sich die Deutschen in den ersten Monaten nach der Entdeckung des Grabes noch zurückhielten und über die Tut-Begeisterung der Engländer nur den Kopf schüttelten, standen die Amerikaner den Engländern in nichts nach. Modemacher, Juweliere, Dekorateure und Friseure nahmen für ihre Kreationen die ägyptische Antike zum Vorbild. Dabei hielten sich die Macher nur selten an das Original. Ägyptisch war, was irgendwie ägyptisch aussah

Es fließt der Mammon – Dank Tutanchamon – Tutmanie in Deutschland

Die Deutschen fingen erst 2 Jahre später an, sich für Tutanchamun und seine Schätze zu interessieren. In dem reich bebilderten „Tutanchamon Sonderheft der Woche“ von 1924 berichteten deutsche Ägyptologen über das Grab. Von da an geriet auch Deutschland ins Staunen… Und ins Kaufen. Denn natürlich gab es dann auch hierzulande die ersten Artikel mit dem Konterfei von Pharao Tutanchamun.

„Tut-Elch-Amun“

Sogar die Werbung bediente sich der Popularität des Kindkönigs, um ihre Produkte unter die Leute zu bringen. So schrieb eine deutsche Firma von Schuhpflegemitteln 1924: „Das Grab Tut-ench-Amuns zu entdecken (..) hat Jahre gekostet! Jahre hat es aber auch gekostet, bis man die feinen Schuhpflegemittel von Eri entdeckt hat (…)“1 Ob die Firma damit ihre Absätze steigern konnte? Und auch ein großes schwedisches Möbelhaus warb mit „Tut-Elch-Amun“ – einen Elch in Mumienbinden und dem Kopftuch von Tuts berühmter Totenmaske.

13 Millionen Zuschauer

Fieberhaft wurde alles aufgesogen, was die Medien über den Kindkönig und seine Schätze veröffentlichten, so auch alles über den vermeintlichen Fluch, der die Faszination des alten Ägyptens noch steigerte. So dauerte es auch nicht lange, bis die ersten Bücher und Filme über dieses Thema herauskamen. Die Terra-X Dokumentation „Der Fluch des Pharao“ im ZDF erreichte 1986 die Rekordquote von 13 Millionen Zuschauern.

Pharao auf Wanderschaft

kitschiger Tutanchamun
Ob die Totenmaske Tutanchamuns auch mit Schlafzimmerblick und schielendem rechten Auge so berühmt geworden wäre?
Replikat der Totenmaske Tutanchamuns

Der Höhepunkt der Tutmanie war sicherlich die Wanderausstellung mit den Schätzen aus dem Grab, die durch Amerika und Europa tourte – mit Riesenerfolg. In Washington kamen alleine 800 000 Menschen zur Ausstellung, die auch vor mehreren Stunden Wartezeit nicht zurückschreckten. In Deutschland wurde die Tut-Ausstellung von 1980-81 in 5 Städten (West-Berlin, Köln, München, Hannover und Hamburg) gezeigt und es ließen sich insgesamt 3,6 Millionen Besucher in Deutschland von den Schätzen Tutanchamuns verzaubern.

„Wanderzirkus“

Doch im Vordergrund der Ägyptomanie standen zunächst nur die „wunderbaren Dinge“ aus dem Grab Tuts. Das Interesse an der ägyptischen Kultur im Allgemeinen hielt sich damals noch in Grenzen, weshalb die Ausstellung von der Presse auch abschätzig als Wanderzirkus bezeichnet wurde. Doch das tat ihrer Popularität keinen Abbruch.

Die Museumsshops machten einen riesigen Umsatz und verkauften alles, was das Gesicht Tutanchamuns zierte: Stifte, Gürtelschnallen, T-Shirts, Puzzles und so weiter und so fort. Auch so manche Geschäfte rochen den Duft des Erfolges von Tutanchamun und verkauften Torten, nachgemachten Schmuck, Möbel und Nylon-Schlafsäcke in Mumienbinden-Look für 1200 Dollar das Stück. Dies war natürlich auch die Geburtsstunde zahlreicher Witze über die Tutmanie der Leute.

Steve Martins Hit „King Tut“

Unvergessen bleibt der Auftritt von Steve Martin bei der Comedy-Show „Saturday Night Live“ mit seinem Song „King Tut“ der die Begeisterung der Amerikaner über die Wanderausstellung des Königs durch den Kakao zog. Der Song war so beliebt, dass er sogleich die Hitparade stürmte und es immerhin bis auf Platz 17 der US-Hitparaden brachte. Hier geht es zum → Songtext von „King Tut“ (mit deutscher Übersetzung).

Das Video von „King Tut“ könnt ihr euch auf Youtube anschauen

Und heute?

Bettwäsche Tutanchamun
Bettwäsche mit der berühmten Totenmaske von Tutanchamun

Massen strömten von 2009-2011 in die Tutanchamun-Ausstellung nach München, Hamburg und Köln und staunten über den unglaublichen Prunk, den ein altägyptischer Herrscher mit ins Jenseits nahm. Auch wenn es sich bei den Schätzen nur um (teilweise noch nicht einmal gut gemachte) Replikate handelte und man für den Eintritt verhältnismäßig tief in die Tasche greifen musste, erlebte die Wanderausstellung einen unglaublichen Run. Echte Schätze von Tutanchamun konnten Besucher vom 04.11.04 – 01.05.05 in der Bundeskunsthalle in Bonn bestaunen. 860 000 Menschen sahen die Ausstellung. Rekord in Bonn!

Und auch heute noch starrt uns von Tassen, Mousepads, Feuerzeugen, Bierflaschen, Puderdosen und allerlei weiterer Gegenstände des täglichen Gebrauchs das Antlitz König Tuts entgegen. „Der goldene Pharao Tutanchamun“ hat somit zweierlei Bedeutung.

1Wer­bung im Tu­tan­cha­mon Son­der­heft der Woche aus Ju­dith Wet­ten­gel: Tu­tan­cha­mun – Das „Rie­sen­show­ge­schäft“ um den „Su­per­star aus dem alten Ägyp­ten“ in My­thos Tu­tan­cha­mun, S. 41