Pharao = Gott?

Mächtige Bauten auf denen wir den Pharao Seite an Seite mit den Göttern sehen, legen den Schluss nahe, dass der Pharao mit den Göttern gleichgesetzt wurde. Aber dem war nicht so – zumindest nicht immer.

Zuallererst war der Pharao ein Verbindungsglied zwischen Menschen und Göttern. Einige Wenige, wie Amenophis I., wurde die Ehre zuteil, nach ihrem Tod als Gottheit verehrt zu werden. Andere, wie Pharao Amenophis III. zeigen, wie sie selbst Opfer vor ihrem vergöttlichten Ich darbringen. Andere wiederum, wie Hatschepsut stellten sich um ihre Macht zu legitimieren als Tochter des Gottes Amun-Re und ihrer menschlichen Mutter Ahmose dar. Sie ließ ihre göttliche Geburt in ihrem Tempel in Deir el-Bahari verewigen und war Vorbild für nachfolgende Generationen, die damit ihre göttliche Herkunft vor ihren Untertanen bezeugen wollten.

Der Himmel bewölkt sich, die Sterne wurden vertrieben. Die Bögen erbeben, die Knochen der Erdschlangen erzittern. Die Bewegungen, sie verharren nachdem sie Unas, der in Macht erschienen ist wie ein Gott, gesehen haben.

Aus den Pyramidentexten
5. Dynastie, um 2500 v. Chr.

Der Pharao und die Götter

Pharao = Horus

Der ägyptische König sah sich zudem in seiner Rolle als Horus. Dieser war der Sohn von Isis und Osiris, der nach einem Mythos seinen, vom bösen Gott Seth getöteten, Vater rächte und von da an auf dem Thron Ägyptens saß. Horus‘ toter Vater Osiris herrschte über das Totenreich, weshalb sich jeder Pharao nach seinem Ableben mit Osiris gleichsetzte. Mit dem Titel „Sohn des Re“ war der Pharao vom Sonnengott legitimiert, über Ägypten zu herrschen

Pharao = Sonnengott

Im Laufe der ägyptischen Geschichte ließ sich der Pharao immer wieder mit Re gleichsetzen. Er war die „Sonnenscheibe der Menschen, welche die Finsternis von Ägypten vertreibt“1 oder „ein Abbild des Re, die Welt erleuchtend wie die Sonnenscheibe“2. So wie der Sonnengott durch seine Strahlen sowohl den Lebenden im Diesseits als auch den Toten im Jenseits Leben spendete, hatte der Pharao für das Wohlergehen der Lebenden wie der Toten zu sorgen.“Du bis Re“ jubeln die Untertanen den Pharaonen seit Mitte des Neuen Reiches zu.

Der Gott Chons gibt Pharao ankh
Der Gott Chons hält Pharao Sethos I. die Zeichen für Leben (ankh) und Stärke (was) an den Mund. Die linke Hand des Gottes ruht schützend am Hinterkopf des Pharaos.
Tempel von Abydos
19. Dynastie, Neues Reich

„Liebling der Götter“

Der Herrscher stand in ständiger Verbindung zu den vielen Gottheiten des alten Ägypten. Pharao bringt ein Opfer dar und betet – Reisende sehen dieses Bild hundertfach in allen Tempeln des Landes. Die Götter wiederum halten dem König ein Henkelkreuz (Ankh) an seinem Mund und beschenken ihn dadurch mit Leben und Macht.

Vermittler zwischen Menschen und Göttern

Als Vermittler zwischen Menschen und Göttern besaß er allein das Privileg, mit ihnen zu sprechen – und sie mit ihm. „Ich werde für dich den Nil ansteigen lassen; und es werden Jahre folgen, in denen es für das ganze Land genug Wasser hat.“,3 soll der Gott Chnum im Traum zu Ramses II. gesagt haben.

Ein König betonte während seiner Regierungszeit immer wieder gerne, wie sehr Gott xy ihn liebt. Doch die Gunstbezeugungen der Götter und seine göttliche Berufung hatten auch ihren Preis. Der König von Ägypten war dazu verpflichtet, seine Sache gut zu machen.

1, 2 Carsten Colpe: Weltdeutungen im Widerstreit, S. 62
3 M.-A. Bonheme/A. Forgeau, Pharao. Sohn der Sonne, S. 104

Die Aufgaben des Königs

Re hat den König eingesetzt
Auf der Erde der Lebenden
für immer und ewig
beim Rechtsprechen der Menschen,
beim Befrieden der Götter,
beim Entstehenlassen der Maat,
beim Vernichten der Isfet.
Er (der König) gibt Gottesopfer den Göttern
und Totenopfer den Verklärten (…)nach Jan Assmann Maat – Gerechtigkeit und Unsterblichkeit im alten Ägypten, S. 206

nach Jan Assmann Maat – Gerechtigkeit und Unsterblichkeit im alten Ägypten, S. 206

Diese Textzeilen, die auf dem Terrassentempel der Hatschepsut eingemeißelt sind, aber auch in vielen anderen, ähnlichen Versionen geschrieben stehen, verdeutlichen das Regierungsprogramm eines ägyptischen Königs. Der Pharao hatte die Weltordnung (Maat) zu garantieren, der Nil musste pünktlich über die Ufer fließen, Recht musste gesprochen werden, und die Feinde Ägyptens mussten vernichtet werden. Dies konnte nur funktionieren, wenn die Götter zufrieden waren und ihrem Land beistanden.

Die Götter durften Ägypten nicht verlassen

Nachdem Echnaton wegen seines Ein-Gott-Glaubens alle Tempel hatte schließen lassen und sich keiner mehr um sie gekümmert hatte, bemerkte sein Sohn und Nachfolger Tutanchamun: „Das Land lag am Boden, weil es die Götter verlassen hatten“. Der Pharao musste aber die göttliche Macht in seinem Land beibehalten. Sie durfte Ägypten nicht verlassen, weil das Land sonst eine „Krankheit“ durchmachte, wie Tutanchamun auf seiner Stele den Zustand seines Landes unter der Herrschaft seines Vaters beschrieb. Daher mussten Tempel zu Ehren der Götter erbaut und erweitert werden. Durch die neuen Kultbauten und die dort stattfindenden Opfer wurden die Götter zufrieden gestellt, und als Gegenleistung übertrugen sie die Macht für die Aufrechterhaltung der Maat an den König. Die Maat war die Wahrheit, Ordnung und Gerechtigkeit, die Welt im Gleichgewicht, die der Pharao in Ägypten instandhalten musste. Isfet, das Chaos, durfte keinen Einzug in Ägypten halten.

Vereinigung der beiden Länder
Bei seinem Regierungsantritt musste jeder Pharao symbolisch wieder die beiden Länder Ober- und Unterägypten vereinen, weshalb dieses Motiv der „Vereinigung der beiden Länder“ auf vielen Kolossalstatuen der Pharaonen (hier auf einer Statue von Ramses II.) zu finden ist.
Zwei Nilgötter verknüpfen den Lotus (oder die Lilie) als Symbol für Oberägypten und den Papyrus als Symbol für Unterägypten. Die beiden Pflanzen werden über das Zeichen für „Vereinigung“ verknotet. Das Mittelstück symbolisiert eine Luftröhre und Lunge. Sowohl „Lunge“ als auch „vereinigen“ hieß auf altägyptisch sema (sma).
Tempel von Luxor
Neues Reich, 19. Dynastie

Zudem – ein netter Nebeneffekt von Tempeln – konnten und sollten die Untertanen durch die überdimensionalen Reliefs mit „Pharao als gottgleicher Held“ die Macht und Größe ihres Herrschers ehrfürchtig bestaunen.

Pharao erschlägt die Feinde
Wenn wir auf den Tempelwänden sehen, wie der Pharao mit einem Knüppel in der einen Hand, mit der anderen die Feinde Ägyptens am Schopf gepackt, zum Schlag gegen sie ausholt, dann will er nicht nur seine Stärke gegenüber den Gegnern Ägyptens demonstrieren, sondern dem Betrachter auch noch etwas anderes vor Augen führen: Pharao ist Herr über die Maat, und seine Macht ist Isfet, dem Chaos (symbolisiert durch die Feinde), überlegen.
Tempel von Medinet Habu, Theben-West
Neues Reich, 20. Dynastie

Pharao = Gott? – Schlussbetrachtung

Machtspiele und Unterdrückung gab es bei den alten Ägyptern in der Regel nicht, denn das widersprach der Maat. So kam man während der 3000-jährigen Geschichte ohne Despoten (zumindest wenn ein Einheimischer regierte) aus, was bei anderen Zivilisationen unter der Herrschaft eines Königs selten zu finden war. Und nicht zuletzt diesem Umstand ist es zu verdanken, dass sich in Ägypten eine kulturelle und geistige Hochkultur entwickeln konnte.

Königswürde wurde niemals angezweifelt

Die Königswürde wurde in der 3000-jährigen Geschichte niemals angezweifelt (wenn auch teilweise parodiert). Selbst als Echnaton den Menschen verbot, die bisherigen Götter anzubeten, gab es keinen öffentlichen Widerstand oder Kritik an seiner Person, auch wenn im Geheimen die alten Götter weiterhin verehrt wurden. Fremdherrscher wurden zwar gehasst, aber im Großen und Ganzen dennoch akzeptiert. Wer wagte es damals auch schon, einen von den Göttern eingesetzten Herrscher in Frage zu stellen? Einen Herrscher von göttlicher Geburt? Der mit den Göttern im ständigen Kontakt stand?

Kein Gott unter den Menschen

Der Pharao hatte ja angeblich einen guten Draht zu den Göttern, aber ein Gott war er dadurch noch lange nicht. Denn ein solcher verliert nie seine göttliche Kraft, ein menschlicher Herrscher Ägyptens allerdings schon. Und so musste sich ein ägyptischer Herrscher nach spätestens 30 Regierungsjahren bestimmten Ritualen unterziehen, die seine schwindende Kraft und seine göttliche Energie wieder erneuerte. Denn die Ägypter hatten vor nichts mehr Angst, als durch einen schwachen Pharao die kosmische Ordnung zu verlieren und dadurch vom Chaos überrollt zu werden. Nicht bewiesen ist die daraus resultierende Vermutung, dass Herrscher aus früher Zeit nie an Altersschwäche gestorben sind, sondern beizeiten einfach abgemurkst wurden.

Der Pharao hatte zwar göttliche Eigenschaften aber er blieb immer noch Mensch.