Min – Gott der Zeugungskraft und Fruchtbarkeit

Min war ein wichtiger Fruchtbarkeitsgott im alten Ägypten, der sowohl für eine reiche Ernte sorgen sollte, als auch für reichen Kindersegen – galt Min doch auch als Gott der Zeugungskraft und Sexualität. In den Sargtexten möchte der Verstorbene mit dem „Frauen jagenden“ Min identifiziert werden, damit sich seine sexuelle Kraft auf ihn überträgt. Aber auch in königlichen Riten erhoffte sich der Pharao, dass sich die Männlichkeit von Min auf ihn übertragen würde.

Obwohl die Hieroglyphen (nicht im Bild) auf Amun-Re hinweisen umarmt Sesostris I. hier eindeutig Min. Beide Götter haben eine enge Verbindung zueinander.
Kapelle Sesostris I., Karnak-Tempel
Mittleres Reich, 12. Dynastie

Obwohl man Min auch als Schutzgottheit der kargen, östlichen Wüste, durch die Karawanen und Händler reisten, in der aber auch nach Edelsteinen und -metallen geschürft wurde, verehrte, galt Min ebenso als Fruchtbarkeitsgott, der in der Landwirtschaft für fruchtbaren Boden sorgte.

Als Mondgott erhielt er den Beinamen „-Beschützer des Mondes“. Der letzte Tag des Mondmonats war Min geweiht und in der ptolemäischen Zeit galt er als Schutzpatron des fünften Monats des ägyptischen Kalenders (griechisch Tybi).

Die Min-Palette von König Skorpion, der
ca. 3200 v. Chr. Teile Ägyptens regierte
Bild: akhenatenator, CC0, via Wikimedia Commons

Der Gott Min ist einer der ältesten Götter Ägyptens. Schon König Skorpion verzierte die sogenannte El-Amrah-Palette (auch Min-Palette genannt) mit dem Emblem des Min. Die archaische Form des Emblems besteht aus zwei gegenläufigen Pfeilen, die später Teil von Mins Namens wurde. Vertikal ist ein Teil eines Bogens oder eines Stabs zu sehen. Die Bedeutung von Mins Emblem ist bis heute umstritten. Manche Forscher sehen darin eine Blitz oder einen Pfeil mit Widerhaken, andere wiederum einen fossilen Belemnit (Kopffüßer).

Überreste von drei prädynastischen Statuen des Min, die einst zwei Meter hoch waren, wurden 1893 von Flinders Petrie in Koptos entdeckt (heute im Ashmolean Museum in Oxford); sie gehören zu den ältesten Götterstatuen, bei denen uns der Name der Gottheit bekannt ist.

Vielleicht wurde Min auch schon in den Pyramidentexten erwähnt, wenn dort von einer Gottheit, „die ihren Arm im Osten erhebt“, die Rede ist. Zumindest scheint es schon sehr früh einen priesterlichen Kult rund um Min gegeben zu haben, denn in der Mastaba einer Prinzessin aus der 5. Dynastie wird schon eine „Prozession des Min“ erwähnt.

Das Fest des Min

Der „Auszug des Min“ war ein großes Fest zu Ehren des Gottes, dass schon mindestens seit dem Alten Reich gefeiert wurde. Darstellungen des Min-Festes befinden sich im 2. Hof von Ramses III. im Tempel von Medinet Habu, die uns einige Details über den Ablauf verraten:

Pharao Ramses III. ist startklar für das Min-Fest
Tempel von Medinet Habu
Neues Reich, 20. Dynastie

Das Fest begann mit einem prunkvollen Festzug, bei dem Ramses III. in einer Sänfte den Königspalast verließ. Vor der Statue des Gottes angekommen, verbrannte der Pharao Weihrauch und goss heiliges Wasser vor seinen Füßen aus. Bei der darauffolgenden Prozession wurde die Statue aus ihrem Tempel getragen. Sie war fast vollständig von einem großen, zeremoniellen Tuch verhüllt und zwei Priester schützten die Statue mit einer zusätzlichen Blende vor neugierigen Blicken. Im Gegensatz zu den pompösen Prozessionen, in denen die Götterbarken lange Strecken (z.B. Amun, Mut, Chons vom Karnak-Tempel zum Luxor-Tempel) getragen wurden, war die Prozession des Min nur sehr kurz gehalten, aber dennoch sehr feierlich, denn die Hieroglyphen auf den Wänden des Medinet Habu Tempels zitieren Hymnen zu Ehren des Gottes Min, die vom obersten Vorlesepriester intoniert wurden.

Der Gott Min mit schwarzer Hautfarbe, was ihn in Anlehnung an die fruchtbare schwarze Erde als Fruchtbarkeitsgott auszeichnet.
Relief im Luxor-Museum

Auf den Bildern im Medinet Habu Tempel ist auch die Königin abgebildet, wie sie die Prozession begleitete sowie der „weiße Bulle“, vermutlich Mins heiliges Tier. Aber auch die Statuen der Vorfahren Ramses‘ III., die von Priestern getragen wurden und so die Kontinuität der Königswürde sicherstellten, gehörten zu der Zeremonie. Vier Vögel wurden in alle vier Himmelsrichtungen freigelassen, um die Kunde über den starken Herrscher in aller Welt zu verkünden. Anschließend übergab der weiße Stier dem Pharao ein Bündel Korn-Ähren, die eine reiche Ernte sichern sollten und Mins Rolle als eine alte Landwirtschafts- und Fruchtbarkeitsgottheit unterstrich.

Min war auch beim Sedfest präsent, wie hier beim so genannten „Ruderlauf“ von Ramses II.
Tempel von Sethos I., Theben- West
Neues Reich, 19. Dynastie

Eine weitere berühmte Zeremonie ist nur in Verbindung mit dem Gott Min bekannt. Männer mit Federschmuck kletterten auf einen riesigen Mast, der von manchen Ägyptologen ähnlich wie unser Maibaum als Symbol der Fruchtbarkeit interpretiert wurde. Vielleicht handelte es sich aber auch nur um ein Gerüst, um einen großen Festpavillon für das Min-Fest aufzustellen.

Hinter Min umrahmen zwei Lattichpflanzen eine Lotusblüte. Der Gott Min ist hier dem Bildersturm der Christen zum Opfer gefallen. Insbesondere sein errigiertes Glied wurde wo es nur ging von den frühen Christen ausgehackt.
Tempel von Sethos I., Theben-West
Neues Reich, 19. Dynastie

Die Lattich-Pflanzen

Das Opfern von Blumen ist eine typische Geste von Pharaonen an die Götter. Doch nur bei Min kommt mit dem Lattich eine ganz besondere Pflanze ins Spiel. Der milchige, weiße Saft der Lattich-Pflanze hat die Ägypter an Samenflüssigkeit erinnert, weshalb man sie dem Gott Min zuordnete und zudem als wirksames Potenzmittel anpries. Bei den Darstellungen des Min stehen daher häufig Lattichpflanzen neben dem Gott.

Darstellung

Min im Tempel von Abu Simbel
Neues Reich, 19. Dynastie

Der Gott Min ist einer der wenigen Götter, die so einzigartig in ihrem Aussehen sind, dass man sie auf den ersten Blick sofort erkennt. Min wird menschengestaltig dargestellt. Er steht mit geschlossenen Beinen, ein waagerecht gehaltener Arm ist am Ellenbogen nach oben hin angewinkelt.
Auf den zweidimensionalen Abbildungen sieht es so aus, als ob Min den Arm hinter sich halten würde, doch von den Statuen wissen wir, dass Min seinen Arm an seiner rechten Seite erhebt. Die für uns außergewöhnlichen zweidimensionalen Abbildungen sind typisch für die altägyptische Kunst, die den Körper möglichst vollständig mit all seinen Bestandteilen abgebildet hat.

Die königliche Peitsche oder Geißel ist halb gefaltet und ruht knapp über den Fingerspitzen seiner rechten Hand. Inschriften deuten darauf hin, dass die erhobene Hand Mins bereit ist, die Feinde des Gottes zu zerstören, ähnlich wie wir Pharao mit erhobenen Arm beim Erschlagen der Feinde sehen. Doch wird die Geste auch als ein Zeichen der Freude interpretiert.

An seiner Krone, die aus zwei hohen Federn besteht, weshalb er den Beinamen „der mit dem hohen Federpaar“ trug, baumelt ein langes Band herunter. Auf manchen Darstellungen trägt Min die Sonnenscheibe zwischen den hohen Federn. Unverwechselbar ist das erigierte Glied, das bei Statuen von Mins linker Hand umfasst wird. Sein Gesicht wird als Fruchtbarkeitsgott auf manchen Abbildungen schwarz dargestellt, wie die fruchtbare schwarze Erde.

Selten wird Min auch löwenköpfig gezeigt, wie im Tempel von Chons in Karnak.

Auch im Tempel von Edfu steht Min löwengestaltig vor dem Weihrauch opfernden Ptolemaios IV.

Der Name Min

Der Name kommt wahrscheinlich von dem Wortstamm mn oder mnw, das „dauerhaft“ oder „standhaft sein“ bedeutet. Der Name Min (mn.w) könnte also übersetzt „Dauerhaftigkeit“, „Standhaftigkeit“ oder auch „Stehkraft“ bedeuten.

Min in Hieroglyphen

Erste Erwähnung

Die frühesten Darstellungen von Min stammen aus der prädynastischen Zeit.

Verbindungen mit anderen Göttern/Familie

Ab dem Mittleren Reich verschmolzen Horus und Min zu Min-Horus. Daher wurde die Göttin Isis als seine Mutter angesehen, aber auch als seine Gattin. Als Gottheit der östlichen Fremdländer galt er auch als Gatte der syrischen Göttin Kadesch oder der Göttin des Ostens Iabet.

Seit dem Mittleren Reich wurde Min eng an Amun geknüpft, beider Tiere waren der Widder und der Stier, die als Symbole männlicher Zeugungskraft galten. In Verbindung mit dem Stier wurde Min in Theben zu Min-Amun-Kamutef oder Amun-Re-Kamutef, dessen Hieroglyphen über Abbildungen des Min zu lesen sind. Kamutef, was übersetzt „Stier seiner Mutter“ heißt, deutet darauf hin, dass Min sowohl Vater als auch Sohn ist und er sich daher selbst erschaffen hat.

Sethos I. opfert Lattich-Pflanzen dem Amun-Re-Kamutef
Tempel Sethos I., Theben-West
Neues Reich, 19. Dynastie

In späterer Zeit trifft man auf die Namensformen Min-Amun oder Amun-Min. Als Gott der Fruchtbarkeit in der Landwirtschaft war auch Osiris mit ihm verbunden.

Mit seinem erigierten Glied erinnerte Min die Griechen an den Hirtengott Pan, der für seine Zügellosigkeit und Wollust berüchtigt war und mit dem sie ihn daher gleichsetzten.

Orte der Verehrung

Der Gott Min taucht auf vielen Tempeln Ägyptens auf. Aber es gibt auch Tempel, die speziell ihm geweiht waren. Die beiden wichtigsten sind:

Qift (altägyptisch Gebtu, griechisch Koptos)
Nördlich von Luxor gelegen, begannen von dort aus die Expeditionen in die östliche Wüste bis ans Rote Meer und darüber hinaus. Von der Tempelanlage aus dem Alten Reich, die unter den Ptolemäern neu errichtet wurden, ist heute nicht mehr viel zu sehen.

Achmim (altägyptisch Ipu oder Chenmet-Min, griechisch Chemmis, Panopolis)
Achmim liegt etwa 200km nördlich von Luxor. Hier befand sich ein dem Min geweihter Haupttempel aus griechisch-römischer Zeit, wo die Triade Min, seine Gefährtin Gefährtin Repit und das Kind Qerendja-pa-chered verehrt wurde. Der Tempel wurde im Mittelalter vollständig zerstört.