Osiris – Herrscher der Unterwelt

Die Menschen aller Bevölkerungsschichten verehrten den Gott Osiris als Totengott, der den Tod überwunden hatte und im Jenseits als Herrscher über die Unterwelt ewig weiterlebte.

Es war das Ziel eines jeden Lebenden, es dem beliebten Totengott gleich zu tun und den Tod zu überwinden, weshalb die Verstorbenen den Beinamen Osiris (z.B. Osiris Mennefer) auf ihre Särge schrieben.

Als Richter hielt Osiris den Vorsitz über das Totengericht, bei dem der Verstorbene sein Herz auf die Waagschale legen musste und diese nicht schwerer als die andere Waagschale mit der Feder der Maat sein durfte. Nur, wer ein gutes und gesetztreues Leben geführt hatte, durfte als „Gerechtfertigter“ im Reich des Osiris ewig weiterleben.

Der Totengott Osiris Grab des Maya, Sakkara Neues Reich, 18. Dynastie
Der Totengott Osiris
Grab des Maya, Sakkara
Neues Reich, 18. Dynastie

Osiris als Fruchtbarkeitsgott

Osiris
Osiris steht in einem Schrein, vor ihm die vier Horussöhne auf einer Lotusblüte. Seine Beine umarmt eine personifizierte Darstellung der Standarte des Westens.
Tempel von Medinet Habu, Theben-West
Neues Reich, 20. Dynastie

Vielleicht hatte Osiris ein menschliches Vorbild, denn im Osiris-Mythos war er ursprünglich ein König, der die Menschen kultivierte und gottesfürchtig machte. In frühen Varianten des Mythos starb Osiris nicht durch die Hand seines Bruders Seth, sondern ertrank im Nil. Vielleicht sahen die alten Ägypter deswegen in Osiris einen Fruchtbarkeitsgott (der er wahrscheinlich ursprünglich gewesen ist, bevor er als Totengott verehrt wurde), der mit dem Nil und seiner fruchtbaren Überschwemmung verbunden wurde.

Er war die Erde, die alles Lebensnotwendige hervorbringt, und wie sein Sterben und Wiederauferstehen war auch der Kreislauf der Natur: Verwelken, Absterben und Wiedererblühen. Große Osirisfeste feierten die Ägypter am Ende der Überschwemmungszeit, wenn die Saat von neuem wieder aufgehen sollte. Ein beliebtes Fruchtbarkeitssymbol war die „Kornmumie“. In eine Schale, welche die Form des Osiris hatte, legte man Nilschlamm mit Saatkörnern. Das Aufkeimen der Saat, also wenn sie zu neuem Leben erwachte, sahen die Ägypter als Wiederauferstehung des Osiris.

Osiris Vereinigung mit Re

Eine besondere Verbindung ging Osiris als Herrscher der Unterwelt mit dem Sonnengott Re als Herr des Himmels ein. In der Nacht, wenn Re mit seiner Sonnenbarke durch die Unterwelt fuhr, vereinigte sich die Ba-Seele des Sonnengottes mit dem Körper des Totengottes, woraus Re am Ende der Nacht gestärkt hervorging und somit am östlichen Horizont erneut aufgehen konnte.

Serapis, Orion und seine Beinamen

In ptolemäischer Zeit verschmolz Osiris mit dem Stiergott Apis zu Serapis, der insbesondere von den in Ägypten lebenden Griechen verehrt wurde.

Osiris galt als Inkarnation des Sternbilds Orion. Aufgrund seiner Beliebtheit besaß er viele Beinamen, die er von anderen Göttern übernommen hatte, wie z.B. „Herr der Gotteshalle“ von Anubis. Sein bekanntester Beiname ist Wennefer – „Der ewiglich in guter Verfassung ist“, was bedeutet, er hatte Tod und Verwesung für immer überwunden. Ein anderer ist „Der Schreckliche“, denn wie jeder Gott hatte auch Osiris eine dunkle Seite. In den Pyramidentexten befinden sich Zaubersprüche, in denen der König Re anfleht, ihn vor Osiris zu beschützen. Doch die negativen Aspekte des Gottes blieben eine Ausnahme.

Darstellung

Osiris im Grab des Paschedu Theben-West Neues Reich, 19. Dynastie
Osiris im Grab des Paschedu
Theben-West
Neues Reich, 19. Dynastie

Osiris wird in der Gestalt einer Mumie mit gekreuzten Armen dargestellt. Er sitzt oft auf einem Thron, in seinen Händen liegen die Königsinsignien Krummstab und Geißel.

Seine Gesichtsfarbe ist entweder weiß (wie die Mumienbinden), schwarz (als Hinweis auf die Welt der Toten) oder grün (wie die Vegetation). Auf seinem Kopf trägt er die weiße Krone Oberägyptens oder – noch häufiger – eine Variante davon, die so genannte Atef-Krone. Sie sieht wie die Krone Unterägyptens aus, aber an den Seiten sind zwei Federn befestigt. Manchmal befinden sich am unteren Ende auch noch zwei waagerecht verlaufende Hörner. Als Gott der Toten sehen wir ihn manchmal auch auf einer Totenbahre liegen, am Kopf- und Fußende die trauernden Göttinnen Isis und Nephthys.

Der Djed-Pfeiler

Der Djed-Pfeiler, als Symbol von Dauer, stand ebenfalls in enger Verbindung mit Osiris. Daher treffen wir auch auf eigentümliche Darstellungen von Osiris als Pfeiler mit menschlichen Armen oder als Mensch mit einem Kopf als Pfeiler. In seiner Verbindung mit Re wird er auch als Mumie mit Falken-, Widder- oder Skarabäuskopf dargestellt.

Der Name Osiris

Die Bedeutung des Namens ist ungesichert. Während man früher Osiris mit „Sitz des Auges“ übersetzte, tendiert man heute eher zu einer Ableitung des Namens von dem ägyptischen Wort „weseru“, was so viel wie „Der Mächtige“ oder „Der Starke“ bedeutet.

Osiris in Hieroglyphen

Osiris in Hieroglyphen

Weitere Namensformen

Wesir (altägyptisch)

Erste Erwähnung des Namens

Sein Geburtsort war der Sage nach Rosetau in der Nekropole der westlichen Wüste von Memphis. Die frühste bekannte Erwähnung stammt aus der 5. Dynastie, doch wahrscheinlich wurde Osiris schon viel früher verehrt

Familie

Osiris war der Sohn des Erdgottes Geb und der Himmelsgöttin Nut. Seine Geschwister waren Isis (die auch gleichzeitig seine Gemahlin war), Seth, Nephthys und Haroeris. Mit Isis hatte er den gemeinsamen Sohn Horus. Laut dem Griechen Plutarch zeugte er mit Nephthys den unehelichen Sohn Anubis.

Orte/Zeiten der Verehrung

Nach dem Osiris-Mythos wurde der Gott von Seth zerstückelt und seine Einzelteile über das ganze Land verteilt. Viele Städte Ägyptens behaupteten daher, Fundort eines der Körperteile zu sein. In Arthribis soll z.B. sein Herz gefunden worden sein und gleich vier Städte (Edfu, Herakleopolis, Biga und Sebennytos) beanspruchten das Privileg, ein Bein oder gleich zwei Beine von Osiris beherbergt zu haben.

Doch die bedeutendsten Kultzentren lagen in Abydos und Busiris. Im oberägyptischen Abydos war das wahrscheinlich älteste Heiligtum des Gottes. Hier lag eines der beliebtesten Pilgerzentren Ägyptens, denn die Ägypter glaubten, der Leichnam des Osiris sei dort bestattet worden, und der Kopf des Osiris wurde als heilige Reliquie dort verehrt. In Busiris („Haus des Osiris“) lag sozusagen der unterägyptische Gegenpol zu Abydos, in der die Wirbelsäule des Gottes aufgebahrt wurde.