Die Göttin Nut symbolisierte das Himmelsgewölbe. Alles was dort entstand, entsprang aus ihr. Der Donner war ihr Gelächter und ihre Tränen der Regen. Ihr Körper war das Firmament, das den Kosmos von den Gewässern des Chaos trennte, jener formlosen und urzeitlichen Masse, die gleichbedeutend ist mit Nicht-Existenz. Nut bewahrte die Mächte des Chaos davor, durch den Himmel zu brechen und über die Welt zu schwappen.
Nut galt als Mutter von Mond, Sonne und Sterne, die in der Vorstellung der alten Ägypter in ihrem Mund verschwanden und aus ihrem Leib wiedergeboren wurden. Die Sonne reiste des Nachts durch ihren Körper, die Sterne am Tag.
Mythen über Nut
In einem Mythos ärgerte sich Geb über das Verhalten von Nut, ihre „Himmelskinder“ zu verschlucken, und um den Streit ein Ende zu setzen, hob Schu sie in den Himmel. Die Bezeichnung „Sau, die ihre Ferkel frisst“ erhielt Nut durch eben diese Vorstellung.
Nut im Schöpfungsmythos
Aber der berühmteste Mythos über die Göttin finden wir in der Schöpfungsgeschichte von Heliopolis. Nut war ein Kind des Luftgottes Schu und der Feuchtigkeit Tefnut. Sie liebte ihren Bruder Geb sehr, doch ihr Vater war damit nicht einverstanden. Er stellte sich zwischen den beiden und hob Nut hinauf in den Himmel, wo sie fortan als Himmelsgöttin lebte, während ihr Vater Schu als Luftgott zwischen ihr und ihrem Geliebten Geb, dem Erdgott stand. Eine typische Darstellung zeigt Schu mit erhobenen Armen die Göttin Nut stützend, während zu seinen Füßen der Erdgott Geb liegt.
Der griechische Schreiber Plutarch erzählt uns die Geschichte weiter: Als Re bemerkte, dass Nut mit Geb verkehrte, beschwor er einen Fluch, dass sie an keinem der 360 Tagen des Jahres Kinder gebären konnte. Thot half ihr aus ihrer misslichen Lage und erspielte von dem Mond noch 5 zusätzliche Tage, an denen ihre Kinder geboren wurden (Siehe auch „Die Schöpfungsgeschichten“)

Bild: Wikimedia Commons, gemeinfrei
Nut im Totenkult
Als Mutter des Totengottes Osiris, spielte Nut auch im Totenkult eine wichtige Rolle. Im Inneren der Sargwannen sehen wir das Abbild der Göttin Nut, die die Sonnenscheibe verschluckt und wieder gebärt. Der Sarg wurde symbolisch zum Körper der Göttin, aus dem der Verstorbene wiedergeboren und zu Sternen auf ihrem Körper werden konnte.
In der Geschichte des Sinuhe wird die Bedeutung der Göttin noch einmal deutlich: Der Pharao lädt Sinuhe nach einem langen Leben im Ausland zurück nach Ägypten ein, damit er ägyptische Rituale bei seinem Tod empfangen kann. Denn Sinuhe soll in seinem Sarkophag liegen aus Gold und Lapsilazuli, mit Nut, der „Herrin von Allem“. Sogar bis in die christliche Zeit hinein zierte die Göttin Nut das Innere der Sarkophage.
„Sie hat dich in ihre Umarmung genommen“
Ihre erste Erwähnung als Totengöttin hatte Nut in den Pyramidentexten. Hier umhüllt sie den Pharao in ihrer „Seele“ und enthüllt ihre Arme für ihn. „Du bist deiner Mutter Nut gegeben worden in ihrem Namen „Bestattung“. Sie hat dich in ihre Umarmung genommen in ihrem Namen „Sarkophag“. Du bist zu ihr hinaufgebracht worden in ihrem Namen „Grab“ (PT 364). Grab und Sarkophag, als ewiger Aufbewahrungsort für den Verstorbenen, sind hier Metapher für die Göttin Nut. Sie sorgt für die Überwindung des Todes, denn Nut „gibt ihm den Kopf, vereinigt die Knochen und bringt das Herz wieder in den Leib“ und sorgt so für den toten Pharao und für die Erhaltung seines Körpers.
Nut aus dem Stamm der göttlichen Sykomore
Abbildungen der Göttin in den Gräbern von Theben-West waren ebenfalls verbreitet. Das berühmteste Abbild der Göttin befindet sich im Grab Ramses VI., in dem sie zweimal Rücken an Rücken – als Tag und Nacht – dargestellt ist. In den Privatgräbern von Theben und im Totenbuch tritt die Göttin aus dem Stamm der göttlichen Sykomore hervor, um den Verstorbenen Wasser und Nahrung zu geben. Sie tauscht dabei die Rolle mit der Göttin Hathor, die im Gegenzug auch als Himmelsgöttin verehrt werden konnte. Und auch Nut galt wie Hathor als Auge des Re.

Grab des Sennedjem, Theben-West
Neues Reich, 18. Dynastie
Darstellung
Auf den Decken von Gräbern und Tempeln spannt die Himmelsgöttin Nut ihren nackten Körper mit gestreckten Armen und Beinen über die Erde. In der ägyptischen Kunst sieht es so aus, als ob ihre Hände und Füße dicht beieinander stehen, doch berührt sie mit ihren Gliedmaßen jede der vier Himmelsrichtungen.

Tempel von Dendera
Griechisch-römische Epoche
Als normal aufrecht stehende Frau kann sie auf ihrem Kopf einen kreisrunden nw-Topf oder ihren Namen in Hieroglyphen tragen.
Ungewöhnliche Darstellungen im Profil

Spätzeit, 26. Dynastie
Rijksmuseum van Oudheden
Ungewöhnlich für die ägyptische Kunst sind einige ihrer Darstellungen im Inneren von Sarkophagen, in denen der Künstler das Gesicht der Göttin in Profil zeichnete. Auf den Brustteilen von Sarkophagen trägt sie des Öfteren Flügel, die sie mit ausgestreckten Armen schützend ausbreitet
Nut als Himmelskuh oder Himmelssau
In Tiergestalt sieht man sie als Himmelskuh oder Himmelssau mit ihren Jungen. Als Kuh sind ihre vier Hufe die Himmelsrichtungen und auf ihrem Körper reisen Sonnengott und Sterne. Der Luftgott Schu steht mit erhobenen Armen unter der Kuh und stützt sie, während jedes ihrer vier Beine, die „Säulen des Himmels“, von einem Gott gestützt wird, der zugleich symbolhaft für Heh, die Ewigkeit und Dauerhaftigkeit, steht.
Der Name Nut
Die Bedeutung des Namens ist unbekannt.
Nut in Hieroglyphen

Erste Erwähnung des Namens
In den Pyramidentexten
Familie
Eltern: Feuchtigkeit Tefnut und Luftgott Schu
Gemahl: Erdgott Geb
Kinder: Osiris, Isis, Seth und Nephthys
Verbindungen mit anderen Göttern
Nut war mit Hathor, ebenfalls Totengöttin und Kuhgottheit, eng verbunden. Sowohl Hathor als auch Nut konnten Himmelsgöttin oder Göttin der heiligen Sykomore sein (s.o.)
Orte/Zeiten der Verehrung
Die Göttin besaß keine Kultgebäude wie es für kosmische Gottheiten üblich war. Sie war aber präsent in den astronomischen Decken der Tempel und Gräber.
Amulette mit der Sau und ihren Ferkeln, die ihr zugeordnet werden können, wurden dem Verstorbenen ab der 3. Zwischenzeit mit ins Grab gelegt.